Immer mehr Länder in Europa wollen eine Vier-Tage-Woche einführen. Die meisten Beschäftigten träumen von kürzeren Arbeitszeiten. Wir haben 5 Gründe zusammen gefasst, warum auch die Arbeitgeber ihre Meinung zur 4-Tage-Woche überdenken sollten.
Wer arbeitet wirklich den ganzen Arbeitstag lang durchgehend und konzentriert? Studien zeigen, dass wir zwar vielleicht acht Stunden körperlich anwesend sind, wirklich effizient sind wir aber im Durchschnitt nur zweieinhalb Stunden pro Tag. Wir verbringen viel Zeit mit Emails, Telefonaten, Kaffeepausen, Meetings oder beim Tratsch am Kopierer. Warum also nicht die Arbeit produktiver gestalten und dafür eine kürzere Arbeitswoche einführen?
International nimmt die Diskussion über die Vier-Tage-Woche immer mehr an Fahrt auf. So hat im Vorjahr ein Modellversuch in Island für einiges Aufsehen gesorgt. Dort wurde die Vier-Tage-Woche bei öffentlichen Bediensteten über einen längeren Zeitraum getestet. Das Projekt war eine Erfolgsgeschichte: Die Work-Life-Balance und die Gesundheit der teilnehmenden MitarbeiterInnen haben sich klar verbessert, während ihre Produktivität gleichblieb. 86 Prozent der isländischen Beschäftigten arbeiten jetzt kürzer oder haben die Möglichkeit dazu bekommen.
Aber gibt es die Vier-Tage-Woche in Österreich nicht längst? Ja, aber es soll hier um die Vorteile einer Vier-Tage-Woche in Kombination mit einer Arbeitszeitverkürzung gehen, und zwar bei vollem Lohnausgleich.
Denn 40 oder 38 Stunden in nur vier Tagen abzuarbeiten wäre natürlich auch eine denkbare Lösung, nur: Eine Umschichtung der Wochenarbeitszeit ist keine Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeit, und bringt negative Effekte mit sich. Wer zu viele Stunden am Stück arbeitet, ermüdet stark, hat ein höheres Unfallrisiko und die Produktivität sinkt ab. Die Vier-Tage-Woche ist nur dann sinnvoll, wenn zugleich die Wochenarbeitszeit gekürzt wird, z.B. auf 32 Stunden.
Was spricht also für eine kürzere Arbeitszeit, verteilt auf vier Tage? Und, eine ungewöhnliche Frage in einem Gewerkschaftsmedium: Was bringt es den Arbeitgebern? Wie können wir sie überzeugen?
1. Produktivität erhöhen
Im internationalen Vergleich sind Länder mit hoher durchschnittlicher Arbeitszeit weniger produktiv als Länder mit kürzerer. Studien zeigen auch, dass Arbeitszeitverkürzung zu einem Anstieg der Produktivität führt, da die MitarbeiterInnen durch die längere Freizeit erholter und weniger gestresst zur Arbeit kommen.
Firmen, die die Vier-Tage-Woche oder andere Modelle mit kürzeren Arbeitszeiten umsetzen, streichen als erstes unproduktive Zeitfresser: Meetings, ständige Unterbrechungen durch Emails und Anrufe, unklare Zuständigkeiten, um nur einige zu nennen. Die Abläufe im Unternehmen und die interne Kommunikation zu verbessern sind hier wichtige Schritte hin zu effizienterem Arbeiten, damit – vereinfacht gesagt – die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erledigt werden kann.
Die Produktivität steigern, das war das erklärte Ziel der spanischen Regierung, als sie im März 2021 einen großen Modellversuch startete: Mit der Vier-Tage-Arbeitswoche die Produktivitätsrate verbessern und gleichzeitig auch neue Arbeitsplätze schaffen. An diesem spanischen Projekt zur Verkürzung der Arbeitszeit beteiligen sich 200 Unternehmen, sie erhalten dazu Fördermittel von insgesamt 50 Millionen Euro aus dem EU-Recovery-Plan zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Corona-Krise. Das Projekt hat Spanien zum ersten Land der Welt gemacht, in dem die Vier-Tage-Arbeitswoche landesweit getestet wird.
2. Fachkräftemangel bekämpfen
In Folge der Pandemie ist vieles in Bewegung geraten: Kurzarbeit und Homeoffice haben den Beschäftigten gezeigt, dass auch andere Arbeitsformen möglich sind. Nicht alles dabei hat nur Vorteile, und nicht in allen Branchen lässt sich die Arbeit nach Hause verlegen oder verkürzen. Trotzdem hat die Abwanderung aus einigen Branchen wie z.B. Tourismus und Gastronomie gezeigt, dass die Menschen es satthaben, lange zu arbeiten, Überstunden zu machen und wenig Freizeit zu haben.
Generell klagen viele Branchen in Österreich über Fachkräftemangel. Der Verdienst ist natürlich immer ein wesentlicher Faktor – aber besonders jüngere ArbeitnehmerInnen achten ganz besonders auch auf die Work-Life-Balance. Was wäre also naheliegender, als bessere Arbeitsbedingungen anzubieten: Kürzere Wochenarbeitszeit, mehr Freizeit, bei gleichem Lohn.
Umgesetzt hat das ein deutscher Handwerksbetrieb mit rund 80 Beschäftigten gleich zu Beginn der Pandemie. Dort können die MitarbeiterInnen seit März 2020 wählen: Vier oder fünf Tage pro Woche, jeweils längerer oder kürzerer Arbeitstag. Die Jüngeren hatten sich tendenziell für die Vier-Tage-Variante entschieden, ältere MitarbeiterInnen eher für die Fünf-Tage-Woche. Für alle gilt: Sie arbeiten nun für denselben Lohn statt bisher 40 nur mehr 36 Stunden.
Das neue Arbeitszeitmodell wurde zum Start offensiv beworben. Und siehe da: Die 40 Bewerbungen, die zuvor jährlich eingingen, kamen plötzlich pro Woche! Der Fachkräftemangel war damit Geschichte. Der Chef des Unternehmens sagt heute: „Ich würd’s wieder machen!“. Gerade junge BetriebsinhaberInnen aus der Region würden sich sein Modell mittlerweile zum Vorbild nehmen. Er schätzt, dass es noch sechs oder sieben Jahre dauern wird, bis das in seiner Branche ohnehin die Regel sein wird.
3. Krankenstände verringern
80 Prozent aller Menschen, die Vollzeit arbeiten, klagen über Stress. Burnout ist längst zu einer Volkskrankheit geworden. Depressionen und andere stressbedingte psychische Erkrankungen sind im Steigen begriffen. Lange Krankenstände und Frühpensionierungen, all das verursacht Kosten, nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch direkt im Betrieb.
ArbeitsforscherInnen stellen das alte, unflexible Nine-to-Five-Modell und die 40-Stunden-Woche schon längst in Frage. Anwesenheit am Arbeitsplatz bedeutet nicht Produktivität. Homeoffice oder Teilzeit sind da nur Zwischenlösungen. Deshalb experimentieren Firmen mit der Vier-Tage-Woche, dem Fünf-Stunden-Arbeitstag, bei dem man dann auf eine Wochenarbeitszeit von 25 Stunden kommt, oder anderen Modellen, die die Arbeitszeit substanziell verkürzen.
So geht auch in Schottland die Tendenz in Richtung Vier-Tage-Woche: In einer groß angelegten Studie sagten 80 Prozent der Befragten, sie ziehen die Vier-Tage-Woche einer 40-Stunden-Woche vor, wenn die Bezahlung gleichbleibt, weil das ihr Wohlbefinden verbessern würde. Die schottische Regierung hat daher ein Pilotprojekt gestartet: Sie fördert Unternehmen, die sich daran beteiligen, mit insgesamt 10 Millionen Pfund (12 Millionen Euro). 88 Prozent der befragten ArbeitnehmerInnen wären bereit, an dem Projekt teilzunehmen.
4. Kreativität und Motivation erhöhen
Viele High-Tech-Unternehmen wie z.B. Google haben längst erkannt: Müdigkeit und Kreativität gehen nicht zusammen. Daher stellen sie ihren MitarbeiterInnen Erholungsräume wie Caféterias, Fitnesscenter, Grünflächen u.a.m. zur Verfügung. Auch Kreativpausen sind erwünscht! Denn die „guten Ideen“ kommen nicht in der zehnten Arbeitsstunde, sondern oft beim Spaziergang im Wald. Entsprechend fördert mehr Freizeit die Kreativität der Beschäftigten.
Eine schottische Kreativagentur, die nicht auf den oben erwähnten Projektstart der Regierung warten wollte, stellte bereits jetzt auf die Vier-Tage-Woche um. Nach einer zweijährigen Testphase wurde die neue Arbeitswoche eingeführt. Das Ergebnis: Das Unternehmen hat Effizienz, Produktivität und Gewinn verbessert – zusammen mit dem Wohlbefinden der MitarbeiterInnen. Die Unternehmensleitung will weg von einer zeitbasierten Arbeitskultur, und stattdessen zu einer ergebnisorientierten Kultur übergehen. Nicht wie viele Stunden investiert wurden zählt, sondern was der Output ist.
5. Zufriedene MitarbeiterInnen
Alle Umfragen ergeben: Eine satte Mehrheit der Beschäftigten wünscht sich eine Verringerung der Arbeitszeit. Eltern wollen mehr Zeit für ihre Kinder, wir alle brauchen mehr Erholung. Teilzeit ist nur die zweitbeste Lösung, da die Einkommensverluste zu groß sind.
Es sind immer noch überwiegend die Frauen, die die Familienarbeit schultern. Das wurde gerade während der Pandemie wieder deutlich sichtbar. Die Vier-Tage-Woche wäre für Mütter der Weg aus der Teilzeitfalle: 32 Stunden bei voller Bezahlung, statt 20 Stunden bei halbem Gehalt. Die Work-Life-Balance ist eins der zentralen Anliegen der ArbeitnehmerInnen: Die Zufriedenheit der Beschäftigten hängt unmittelbar mit den Arbeitszeiten zusammen. Auch die Arbeitgeber werden in naher Zukunft einsehen: Eine Vier-Tage-Woche ist der Weg aus dem Hamsterrad!