Musst du manchmal Minusstunden machen, die du später wieder einarbeiten sollst? Wir verraten dir, ob das überhaupt rechtens ist.
Daniel W. möchte es genau wissen, als er zur Rechtsberatung in die GPA kommt. „Wir haben gerade einen Großkunden verloren“, berichtet er, „weswegen es momentan nicht viel zu tun gibt. Mein Chef hat mir vorgeschlagen, eine Woche daheim zu bleiben und dementsprechend Minuszeit aufzubauen. Kommen wieder mehr Aufträge, soll ich diese Minuszeit nach und nach einarbeiten. Muss ich seinem Vorschlag entsprechen? Ich finde mir schon eine Beschäftigung. Ich könnte endlich die Unterlagen zu alten Aufträgen ablegen. Dazu komme ich normalerweise nicht.“ Die Antwort des GPA-Rechtsberaters freut ihn. Ob es genügend Aufträge gibt oder nicht, ist das alleinige Risiko seines Arbeitgebers. Daniel W. ist nicht verpflichtet, Minuszeiten anzusammeln. Vielmehr kann er zur Arbeit kommen und Dinge erledigen, die liegengeblieben sind. „Und wenn mein Chef mich einfach nach Hause schickt?“, fragt er nach. Die schlechte Auftragslage, erfährt er, ist dem Arbeitgeber zuzurechnen. Natürlich kann er seine ArbeitnehmerInnen nach Hause schicken, aber sofern diese grundsätzlich arbeitsbereit sind, haben sie weiterhin Anspruch auf volles Entgelt und dürfen nicht mit Minusstunden belastet werden.
Gesetzliche Grundlage
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch regelt: „Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt dem/der DienstnehmerIn das Entgelt, wenn er/sie zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des/der DienstgeberIn liegen, daran verhindert worden ist.“
Minusstunden bei Gleitzeit
Ida F. erbringt ihre Arbeitsleistung im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung. „Das war immer sehr angenehm“, meint sie, „weil ich, was Beginn und Ende meiner Arbeitszeit betrifft, flexibler bin als mit festen Bürozeiten.“ Allerdings mischt ihr neuer Abteilungsleiter sich zunehmend in die Gestaltung ihrer Arbeitszeit ein. Gibt es viel zu tun, soll sie länger bleiben; gibt es wenig zu tun, soll sie Gutzeit verbrauchen oder in ihrer Zeitaufzeichnung gar ins Minus rutschen. „Ich fühle mich zunehmend fremdbestimmt“, gesteht sie, „zumal die Wünsche meines Vorgesetzten immer sehr kurzfristig geäußert werden.“
Eine Gleitzeitvereinbarung, erläutert die GPA-Rechtsberaterin, soll es in erster Linie den Beschäftigten ermöglichen, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Es geht um eine Umverteilung der Normalarbeitszeit. Daher können Gutstunden auch 1:1 durch Zeitausgleich abgegolten werden; es fallen keine Mehr- bzw Überstundenzuschläge an.
Natürlich ist bei der Arbeitszeiteinteilung auf betriebliche Belange Rücksicht zu nehmen, aber es steht dem Chef nicht zu, Ida F. nach Hause zu schicken, wenn sie noch bleiben und weiterarbeiten möchte. Auch der kurzfristige Wunsch, sie möge länger bleiben, ist kritisch zu betrachten, wenn die Normalarbeitszeit dabei überschritten wird. Es handelt sich dann auch im Rahmen der Gleitzeitvereinbarung um Mehr- oder Überstunden, die mit Zuschlag abzugelten sind. Berücksichtigungswürdige Interessen von Ida F. können dazu führen, dass sie die Mehr- und Überstunden nicht leisten muss.
Kurzfristige Dienstplanänderungen
Julia S. arbeitet nach einem monatlichen Dienstplan, der immer wieder kurzfristig geändert wird. „Meine Chefin erwartet, dass ich verfügbar bin, wann immer sie mich braucht“, beklagt sie sich. „Es fällt mir zunehmend schwer, private Termine zu planen. Immer wieder kommt es vor, dass meine Chefin mich um halb drei am Nachmittag nach Hause schickt, weil wir kaum Kunden haben, und verlangt, dass ich das entstandene Zeitminus am nächsten Tag einarbeite.“ So wie Julia S. geht es auch ihren KollegInnen. Ihre Dienstpläne ändern sich nahezu täglich.
Der GPA-Rechtsberater klärt sie darüber auf, dass die Lage der Normalarbeitszeit und deren Änderung zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn zu vereinbaren ist. Nur unter bestimmten Voraussetzungen hat der Arbeitgeber ein einseitiges Änderungsrecht. Die Änderung muss sachlich gerechtfertigt sein und dem/der ArbeitnehmerIn mindestens 2 Wochen im Voraus mitgeteilt werden. Außerdem dürfen keine berücksichtigungswürdigen Interessen der Beschäftigten entgegenstehen. Das gilt auch für Dienstpläne.
Risiko des Unternehmers
Schickt die Chefin MitarbeiterInnen früher nach Hause, weil die Kundenfrequenz zu gering ist, entstehen keine Minuszeiten. Daher muss zu Spitzenzeiten auch nichts eingearbeitet werden. Die ArbeitnehmerInnen sind ja im Rahmen ihres Dienstplans arbeitsbereit.
Nur in absoluten, unvorhersehbaren Ausnahmefällen dürfen Arbeitszeitänderungen auch kurzfristig vorgenommen bzw Mehr- und Überstunden angeordnet werden. Kein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn ein/e KollegIn erkrankt, eine Fortbildung besucht oder wenn Urlaubszeit ist. Auch Überstunden infolge permanenter Personalknappheit sind kein solcher Fall. Vielmehr muss der Arbeitgeber personell Vorsorge treffen. Selbst in einem unvorhersehbaren Notfall sind berücksichtigungswürdige Interessen der Beschäftigten in die Interessenabwägung einzubeziehen.
Änderungsvorbehalt im Dienstvertrag
Gustav A. hat in seinem Dienstvertrag einen einseitigen Änderungsvorbehalt seines Arbeitgebers hinsichtlich Lage der Normalarbeitszeit vereinbart. „Ich beginne um sieben Uhr zu arbeiten“, erläutert er. „Heute hat mein Chef mir gesagt, dass ich ab dem nächsten Monat erst um neun Uhr beginnen und nachmittags dementsprechend länger bleiben soll, weil unsere Kundschaft das mehrheitlich so wünscht. Er beruft sich auf den Änderungsvorbehalt.“ Er zuckt hilflos die Achsel. „Meine Frau bringt unseren Sohn morgens in den Kindergarten, ich hole ihn nachmittags ab. Diese Änderung meiner Arbeitszeit ist ein Riesenproblem. Meine Frau arbeitet nachmittags, oft auch abends. Ich muss mich um unseren Sohn kümmern.“
Du hast auch eine Frage zu deinem Dienstvertrag/Arbeitsvertrag? Hier findest du alles, was du wissen musst und kannst auch gleich deinen persönlichen Beratungstermin ausmachen.
Auch ein Änderungsvorbehalt, wird Gustav A. beruhigt, bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber willkürlich schalten und walten darf. Kundenwünsche mögen eine gewisse sachliche Rechtfertigung für die Ausübung des einseitigen Gestaltungsrechtes bieten, aber auch die Interessen von Gustav A. sind zu berücksichtigen. Wenn familiäre Sorgepflichten ihm die Änderung der Lage seiner Arbeitszeit unmöglich machen, weil niemand sonst seinen Sohn rechtzeitig vom Kindergarten abholen und ihn daheim betreuen kann, wird die Interessenabwägung wohl zu seinen Gunsten ausgehen. „Machen Sie Ihrem Chef Ihre Situation klar“, schlägt die GPA-Rechtsberaterin vor, „und finden Sie eine für beide Seiten akzeptable Lösung.“ Da Gustav A. das gerne möchte, wird ihm die Gewerkschaft GPA während seines Gesprächs mit seinem Chef zur Seite stehen.
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Im Arbeitsrechts-ABC der Gewerkschaft GPA findest du Antworten auf viele Fragen. Du kannst dich aber auch direkt an die Rechtsberatung wenden. Hier findest du alle Kontakte.
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