Aktuell wird um den Kollektivvertrag für den Handel gerungen. Am Verhandlungstisch sitzt auch Michael Wörthner. Der Salzburger ist nicht nur Betriebsratsvorsitzender beim Discounter Lidl, sondern auch Sportler, Gewerkschafter und Familienvater. Ein Porträt.
Dieser Tage ist Wörthner selbst telefonisch nur ganz schwer zu erreichen. Er ist aber nicht in den Bergen unterwegs, wo er in seiner Freizeit üblicherweise „die Batterien auftankt“, wie er es beschreibt. Der Betriebsrat ist auch nicht in seinem Büro bei Lidl in Salzburg-Liefering anzutreffen. Michael Wörthner war die letzten Tage unterwegs, in Wien. Dort verhandelte er für seine Kolleg:innen im Handel den Kollektivvertrag. Er ist damit einer von rund einem Dutzend Arbeitnehmer-Vertreter:innen, die bei den zentralen Entscheidungen dabei sein werden.
Applaus zu wenig zum Leben
In jungen Jahren hat Michael Wörthner mit dem Gedanken gespielt Tanzlehrer zu werden, bevor er Betriebsrat bei Lidl wurde. Überhaupt hat er schon so einiges in seinem Leben gemacht, erzählt er im KOMPETENZ-Interview. „Ich hab eine Lehre als Raumausstatter absolviert. Dann bin ich in der Werttransport-Branche gelandet. Dort konnte ich erste Leitungserfahrung sammeln.“ Die Filialleitung bei einem Unternehmen für Geldtransporte habe ihn auf lange Sicht aber nicht erfüllt. Das Tanzen aber war immer Wörthners größtes Hobby. Nach zahlreichen Engagements als Turniertänzer stand er vor der Entscheidung, wie es weitergehe. „Und da wurde mir klar, der Applaus beim Auftritt ist zu wenig zum Leben.“ So kam der heute 48-Jährige im Jahr 2007 als Filialleiter zum Lebensmittel-Discounter Lidl in Salzburg. Dort arbeite er bis heute gerne, wie er sagt.
Betriebsrat und Gewerkschafter
Als dann 2014 bei Lidl ein Betriebsrat gewählt wurde, war Wörthner sofort mit dabei. Seitdem ist er Vorsitzender eines Teams aus 23 Betriebsrät:innen, das sich in Salzburg, Wien und Graz für die Belange der österreichweit fast 6.000 Lidl-Angestellten einsetzt. Eine ganze Reihe von Betriebsvereinbarungen zur Verbesserung der Arbeitsplatzbedingungen kann Wörthners Team bisher als Erfolg verbuchen.
„Das wichtigste bei uns sind die Arbeitszeiten, die im Handel grundsätzlich sehr flexibel gehandhabt werden.“ Im Handel arbeiten mindestens 70 Prozent Frauen. „Wir konnten eine Besserstellung zum Kollektivertrag erreichen.“ Ohne Zustimmung der Kolleg:innen dürfen sie bei Lidl maximal sechs Mehrstunden zu ihrem Vertrag eingeteilt werden. Das ist ein Vorteil gegenüber anderer Unternehmen in der Branche, wo Bedienstete oft je nach Krankenständen und Kund:innen-Aufkommen nach Bedarf eingeteilt werden. „Zudem haben wir ein Anrecht auf eine Fünf-Tage-Woche in der Betriebsvereinbarung festgeschrieben,“ sagt Wörthner. Im Handel kann die Arbeitszeit aufgrund der Geschäftsöffnungszeiten prinzipiell auf sechs Tage verteilt werden.
„Wir konnten bei der Arbeitszeit eine Besserstellung zum Kollektivertrag erreichen.“
Michael Wörthner
Im Frühling diesen Jahres wurde er zum Vorsitzenden der Gewerkschaft GPA in Salzburg gewählt. „Ich habe so die Möglichkeit für Verbesserungen für alle Beschäftigten, egal in welcher Branche in Salzburg, einzutreten.“ An seinem Engagement für seinen Hauptjob bei Lidl habe das aber nichts geändert.
Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?
Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt
Am Verhandlungstisch
Was aber wird aktuell verhandelt? Schon ab dem Spätsommer nahm Michael Wörthner am Bundesausschuss teil, einer Zusammenkunft von Betriebsrät:innen aus der gesamten Handelsbranche. 60 bis 70 Betriebsrät:innen repräsentieren dort die Beschäftigten des gesamten Handels, wie etwa aus den Bereichen Textilhandel, Lebensmittel- oder auch Großhandel. 430.000 Angestellten, sind es, die hier Vertretung finden. „Da wird die aktuelle wirtschaftliche Lage des Handels in Österreich ermittelt. Und so entsteht dann das Forderungsprogramm für die Kollektivvertrags-Verhandlungen.“ Wörthner und seine Kolleg:innen fordern dieses Jahr von den Arbeitgeber:innen eine elfprozentige Gehaltserhöhung, plus 200 Euro auf jedes Lehrjahr für die jüngsten Beschäftigten und zusätzliche Freizeittage nach mehreren Jahren im Unternehmen.
Mitglied im kleinen Verhandlungsteam
Im kleinen Verhandlungsteam, das rund ein Dutzend Betriebsrät:innen und Gewerkschafter:innen umfasst, wird dann mit der Vertretung der Handelsunternehmen gefeilscht. Und Michael Wörthner ist mittendrin.
„Wenn nötig, sind für das erste Weihnachtseinkaufs-Wochenende schon Streiks geplant.“
Michael Wörthner
Wie so oft verweisen die Arbeitgeber:innen auf rückläufige Verkaufszahlen im Handel. Wieder mal sind Einmalzahlungen im Gespräch anstatt dauerhafter Gehaltserhöhungen. „Einmal ist keinmal,“ lehnt Wörthner solche Beschwichtigungsangebote der Arbeitgeber:innen-Seite ab. „Wenn nötig, sind für das erste Weihnachtseinkaufs-Wochenende schon Streiks geplant.“
Positiv durchs Leben
Ob es dazu kommen wird, ist zum Redaktionsschluss noch unklar. Michel Wörthner glaubt an einen guten Abschluss. „Ich versuche ja eher positiv durch Leben zu gehen,“ sagt der Vater zweier Jugendlicher. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie. Sind die Kinder außer Haus treibt es ihn raus in die Natur: „Hauptsache ins Freie!“ Zuletzt bestieg der begeisterte Wanderer den Schoberstein am Attersee. Bleibt dafür keine Zeit, gehe er Laufen – „immer wieder auch mit Kolleg:innen in der Mittagspause.“
Betrachte er seinen Beruf mit etwas Distanz, urteilt er: „Ich finde mich in dem Job richtig gut wieder.“ Er wolle nicht nur die Arbeit, sondern das Leben der Leute, „an jeder Ecke“ lebenswerter machen. Das sei sein Ziel. Und das, fügt der kommunikative Betriebsrat hinzu, „das schafft man am besten mit einem Lächeln.“