Milliardengrab Kassenfusion

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Die Reform der Sozialversicherung erweist sich als Milliardengrab und große Märchenstunde noch bevor sie umgesetzt ist.

Die Erzählung war gut erfunden: 2020 werden 21 Sozialversicherungsträger auf fünf zusammengelegt. Das soll Einsparungen von einer Milliarde bringen, die in Form besserer Leistungen an die Menschen fließen. 

Nichts davon stimmt. 

Vorzeichenfehler?

Statt einer Milliarde mehr gibt es eine Milliarde weniger! Die letzte Regierung hat dem öffentlichen Gesundheitswesen 2019 bis 2023 eine Milliarde an Mitteln entzogen! Unter anderem indem den Arbeitgebern die Unfallversicherungsbeiträge reduziert wurden, mehr Mittel in Privatspitäler umgeleitet werden und weniger Geld aus dem Budget kommt.   

Aber – so behauptete die Regierung – in der Verwaltung und bei den Funktionären wird der Rotstift angesetzt und so würden massiv Mittel freigespielt. Auch hier hat die Behauptung nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Bei den VertreterInnen der Versicherten, die zu 80 Prozent ehrenamtlich – also unbezahlt arbeiten – ist logischerweise nichts zu holen. Und in der Verwaltung geht das auch nicht. Die ganzen Verwaltungskosten der gesamten Sozialversicherung machen 1,2 Milliarden aus. Da kann man daher auch keine Milliarde einsparen. 

In den Unterlagen zum Gesetzesentwurf waren dann auch lediglich Einsparungen von 33 Millionen bis 2023 angegeben. Und das nur, weil keinerlei Kosten der aufwändigen Fusion der neun Gebietskrankenkassen zu einer österreichweiten Kassen angenommen wurde. Um dann doch die versprochene Milliarde irgendwie hinzurechnen, wurde einfach angenommen, dass in 4 Jahren 30 Prozent Einsparungen im Verwaltungsaufwand realisiert werden. Das ist jedoch völlig unmöglich. Daher wundert es nicht, dass die Zahlen nie begründet wurden! Denn das ginge nicht. Die 30 Prozent Einsparung wurden zudem in Bereichen angenommen, die von der Fusion gar nicht betroffen sind.

„Wenn so viele Experten das schon berechnet haben, brauchen wir nicht auch noch etwas berechnen.“

Hartinger-Klein, ZIB 2, 14.9.2018

Da die Husch-Pfusch-Reform nun vor dem Verfassungsgerichtshof landete, hat die damalige „Sozial“ministerin Beate Hartinger-Klein ein Gutachten beauftragt, das das Einsparungspotenzial aufzeigen solle. Dieses Gutachten von Hofmann und Knoll gab an, dass es zunächst teuer wird. Die Fusions- und Integrationskosten wurden mit 300-400 Millionen eingeschätzt. Aber binnen 5 Jahren könne angeblich ein Kostensenkungspotenzial von ca. 300 Millionen Euro realisiert werden. Dieses Auftragsgutachten hat aber einige Ungereimtheiten. 

Die Arbeiterkammer hat nachrechnen lassen. Prof. Otto Krickl vom Institut für Organisation und Institutionenökonomik der Universität Graz hat festgestellt: Das Hofmann Gutachten beruht auf falschen Annahmen. Das Kostensenkungspotenzial wurde viel zu hoch berechnet:  

  • Zunächst wurden etwa die Gesamtverwaltungskosten aller Sozialversicherungsträger als Basis für Einsparungen herangezogen, obwohl die Zusammenlegungen gar nicht alle Träger betreffen, sondern vor allem die Krankenversicherung.
  • Die Verwaltungseinsparungen sind realistisch nur ein Drittel der angeblichen 100 Mio.
  • Manche Kosten in der Verwaltung und IT wurden doppelt berücksichtigt
  • Die Annahme, dass nur 2/3 oder die Hälfte der freiwerdenden Stellen nachbesetzt werden muss, wird durch die Erfahrung vieler Fusionen im Bereich der Krankenversicherung in anderen Ländern Bereich widerlegt. 
  • bestehende Kooperationen und damit bereits gehobene Synergien wurden ignoriert.

Fazit

Die über das Knie gebrochene Fusion der Krankenkassen wird zu erheblichen Mehrkosten führen. Dieses Geld hätte viel besser in die Verbesserung der medizinischen Versorgung investiert werden sollen. Die Art und Weise der Fusion ist verantwortungs- und beispiellos. In wenigen Monaten sollen neun Organisationen, die 12.000 Menschen beschäftigen, fusioniert werden. Das ist ein sehr komplexes Vorhaben, das nicht in der kurzen Zeit durchzuführen ist. Denn die Gebietskrankenkassen müssen tagtäglich die medizinische Versorgung für 7 Millionen Anspruchsberechtigte organisieren. Viele MitarbeiterInnen und Führungskräfte sind nun aber vom Tagesgeschäft „abgezogen“ um in zahlreichen Projekten die unnötige Terminvorgabe der schwarz-blauen Regierung hinzubekommen.

Die Fusion schlägt schon jetzt teuer zu Buche. Alleine für ein neues Logo und den neuen Außenauftritt werden statt der zunächst kolportierten 400.000 Euro 2,5 Millionen Euro zu veranschlagen sein. Hinzu kommt ein Beratungsaufwand in Millionenhöhe und erhebliche interne Kosten, weil viele Mitarbeiter in Organisationsprojekten gebunden sind. Demnächst müssen dann die bisherigen Verträge mit den Ärztekammern unter Zeitdruck neu verhandelt werden. Auch das sind Vorgaben, die teuer werden können. Möglicherweise wird der Zeitplan und zahlreiche Eckpunkte der Reform aber schon vor der geplanten Fusion 2020 zu ändern sein. Denn im Herbst wird der VfGh sich mit den zahlreichen verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Zwangsfusionen beschäftigten.

Die GPA-djp setzt sich dafür ein, dass das Geld der Versicherten und Patienten nicht verschwendet wird. Stattdessen braucht es sinnvolle Investitionen etwa in gleiche Leistungen für alle Berufsgruppen, den Ausbau der Kinderzahnmedizin, mehr Psychotherapie auf Kassenkosten und den Kampf gegen den Hausarztmangel.

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