Wir wollen keine Beschäftigten zweiter Klasse

Foto: Adobe Stock

Die GPA-djp macht sich für alle Beschäftigten stark – auch für atypisch Beschäftigte, also jene die Teilzeit arbeiten, einen freien Dienstvertrag haben oder Leiharbeitskräfte sind.

Wenn Margit morgens in die Arbeit kommt, weiß sie noch nicht, wie sie ihren Arbeitstag verbringen wird. Wenn sie Pech hat, muss sie Aufsicht halten und zwölf Stunden lang stehen, wenn sie Glück hat, darf sie hinter dem Schalter sitzen. Der Ticketverkauf ist zwar stressig, weil viele große Gruppen auf einmal bei ihr Schlange stehen, allerdings schmerzen danach abends ihre Füße weniger. Margit ist 54 Jahre alt, dreifache Mutter und nach einer längeren Phase der Erwerbslosigkeit nun eine, an ein Museum überlassene Leihangestellte. Beim AMS galt sie als schwer vermittelbar, weil sie durch die Jahre, die sie bei ihren Kindern zu Hause verbracht hat, den Anschluss an den Arbeitsmarkt verloren hätte. Zudem sei sie jetzt in einem schwierigen Alter, weil die meisten Unternehmen jüngere Frauen den Bewerberinnen in ihrem Alter vorziehen. Sie musste also nehmen was kam, und das war dieser Job mit den vier 12-Stunden-Tagen pro Woche. Ihre KollegInnen, von denen die meisten ebenfalls in ihrem Alter und überlassene Leihangestellte sind, sind mit dem langen Stehen ebenso unglücklich wie sie. Aber auch sie haben nicht wirklich eine Wahl und müssen nehmen, was ihnen zugewiesen wird.

Tendenz bei Leiharbeitskräften steigend

Rund 90.000 Leiharbeitskräfte gibt es in Österreich, Tendenz stark steigend. Und doch sind Leiharbeitskräfte noch eine der kleineren Gruppen unter den atypisch Beschäftigten. Denn insgesamt sind in Österreich rund 1,3 Millionen Menschen atypisch beschäftigt, das entspricht mehr als einem Drittel aller Erwerbstätigen. Die meisten von ihnen, rund 809.000 arbeiten Teilzeit, weitere knapp 190.000 haben geringfügige und ganze 236.000 haben befristete Arbeitsverträge. Die kleinste Gruppe der atypisch Beschäftigten sind inzwischen die rund 33.000 freien DienstnehmerInnen. Frauen, denen es so ergeht wie Margit sind also alles andere als eine Ausnahme, bei Frauen ist atypische Beschäftigung sogar die Regel, denn über die Hälfte von ihnen gilt als atypisch beschäftigt. Der Name ist also alles andere als Programm, das Gegenteil ist der Fall, trotz all der Nachteile, die diese Vertragsformen für die Beschäftigten mit sich bringen.

Auswirkungen auch auf die Pension

Leihangestellte wie Margit können sich nie darauf verlassen, dass sie in einem Betrieb bleiben dürfen. Selbst wenn sie über Jahre am gleichen Arbeitsplatz arbeiten, fühlen sie sich doch nie richtig zugehörig. Verstärkt wird das dadurch, dass sie beispielsweise keine Gratifikationen oder Weihnachtsgeschenke erhalten, so wie ihre KollegInnen. Wenn sie gerade gut verdienen, müssen sie trotzdem damit rechnen, bei ihrem nächsten Arbeitgeber wieder auf ihr Mindestgehalt zurückzufallen. Teilzeitbeschäftigte erhalten wiederum eben nur einen Teil des Gehalts. Sie verdienen nicht nur aktuell weniger, sondern unterliegen auch einem hohen Risiko, später in der Altersarmut zu landen. Schließlich ist es kein Zufall, dass Frauen eine um 40 Prozent niedrigere Pension erhalten als Männer. Dabei arbeiten teilzeitbeschäftigte Frauen meist gar nicht weniger, sie arbeiten nur mehr unbezahlt, weil sie den Löwenanteil der Familienarbeit stemmen. Das ist immer noch ihr Hauptmotiv für Teilzeitjobs, damit ihre besserverdienende Partner Zeit für ihre Vollzeitjobs samt Überstunden haben.

Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus Arbeitskräfteerhebung
Grafik: GPA-djp

Fehlende Vollzeitjobs

Junge Beschäftigte, die eigentlich genug Zeit für einen Vollzeitjob hätten, bekommen keinen. Weil auch Arbeitgeber gerne auf Teilzeitverträge zurückgreifen und in vielen Branchen zunehmend weniger bis gar keine Vollzeitstellen ausgeschrieben werden. Der Berufseinstieg hat sich inzwischen gravierend verlängert, mehrmalige befristete Arbeitsverträge, Praktika und Volontariate sind zur üblen Gewohnheit geworden. Arbeitgeber wollen die eierlegende Wollmilchsau, gut ausgebildet und mit Berufserfahrung, schon bevor sie überhaupt zu arbeiten begonnen haben. Folglich spielen Druck, Angst und Unsicherheit durch atypische Arbeitsverträge vom Beginn bis zum Ende des Arbeitslebens eine zunehmend größere Rolle. Stabilität und Sicherheit bleiben einer immer kleineren Gruppe vorbehalten. Rund ein Drittel der österreichischen Beschäftigten sind kein Jahr lang beim gleichen Arbeitgeber gemeldet, nur rund ein weiteres bleibt länger als zwei Jahre im gleichen Job. Häufige Stellenwechsel und wiederholte Phasen der Arbeitslosigkeit wirken sich wie atypische Arbeitsverträge negativ auf die Lohnentwicklung aus.

Um ein Viertel schlechter bezahlt

Der Gruppe der atypisch Beschäftigten und den Kurzzeit-Jobbern fehlt es dementsprechend nicht nur an Sicherheit, sondern auch an Geld. Im Schnitt werden sie um ein Viertel schlechter bezahlt als langjährig stabil Beschäftigte mit Normalarbeitsverträgen. Die Wahrscheinlichkeit, dass atypisch Beschäftigte auch prekär arbeiten, ist ungleich höher als bei Normalbeschäftigten. Doch nicht nur für diese atypisch und prekär Arbeitenden bringt die Abnahme der Normalarbeitsverhältnisse große Probleme mit sich, sondern auch für alle anderen Beschäftigten. Das WIFO hat bereits 2016 festgestellt, dass die Reallöhne im Zeitraum von 2000 bis 2015 insgesamt um zehn Prozent stärker gestiegen wären, wenn sich die Löhne für prekär Beschäftigte gleich entwickelt hätten wie für stabil Beschäftigte. Atypische und prekäre Beschäftigung betrifft uns also letztlich alle! Die gesamte Lohnentwicklung, das allgemeine Arbeitsklima, der Druck am Arbeitsmarkt bis hin zu unserem Sozialstaat hängen an einem stabilen Arbeitsmarkt mit soliden Arbeitsplätzen. Um dem negativen Trend zu atypischen, unsicheren Arbeitsverträgen aufzuhalten, braucht es starke Gewerkschaften. Schließlich wissen wir nicht erst seit einer kürzlich erschienen OECD-Studie, dass in Ländern mit starken Gewerkschaften höhere Löhne bezahlt werden, die Arbeitslosigkeit niedriger ist und die Qualität der Arbeitsplätze eine höhere ist.

IG Flex

Die GPA-djp ist so eine starke Gewerkschaft und hat aus all den oben genannten Gründen schon 2001 eine eigene Interessengemeinschaft für atypisch Beschäftigte gegründet, die IG Flex. Neben der politischen Vertretung will die IG Flex auch konkrete Hilfestellungen, schnelle Antworten und unkomplizierte Unterstützung anbieten und hat dafür im Jänner 2020 ein neues online-Angebot gestartet. Unter: aufdeinerseite.at finden sich alle Informationen, Unterstützungsleistungen, Kontakte und Beteiligungsmöglichkeiten für atypisch Beschäftigte. Es empfiehlt sich, einen Blick darauf zu werfen!

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