Österreich funktioniert derzeit auf Minimalbetrieb. Mit Ausnahmen: SozialarbeiterInnen sind gefragter denn je. Die Betriebsratsvorsitzende der Volkshilfe Steiermark fordert, dass das im kommenden Kollektivvertrag entsprechend gewürdigt wird.
Wer kann, der bleibt zu Hause, lautet die Devise dieser Tage. Aber eben nur, wer kann. Und viele können nicht. So etwa die Beschäftigten im Sozialbereich, insbesondere, jene, die im mobilen Pflegedienst arbeiten. Wenn dann auch noch die Schutzausrüstung fehlt, um sich und die PatientInnen zu schützen, wird der Arbeitsalltag zur täglichen Belastungsprobe.
Für Beatrix Eiletz, Betriebsvorsitzende der Volkshilfe Steiermark, ist die Gesundheit der Beschäftigten nur eine Baustelle von vielen – „Baustellen rundumadum“, beklagt sie derzeit. Neben der fehlenden Schutzausrüstung sorgt sie sich um die wirtschaftliche Zukunft der rund 3.000 Angestellten der Volkshilfe Steiermark, die sie als Betriebsratschefin vertritt. „Kündigungen“, kann Eiletz beruhigen, „stehen derzeit absolut nicht im Raum“. Aktuell geht es darum, die Kurzarbeit in einigen Bereichen so lange wie möglich hinauszuschieben. „Wie lange das geht, wissen wir nicht“, erklärt Eiletz. Auch sie wird täglich mit neuen Fakten konfrontiert, verlässliche Zusagen sind so kaum möglich.
„Die Hilfsbereitschaft ist phänomenal“
Wie in vielen Betrieben steht derzeit auch in der steirischen Volkshilfe hinter vielen Themen ein großes Fragezeichen. Das Personal sei insgesamt „besonnen, nicht in Panik“, fasst Eiletz die Situation zusammen. Auch wenn die Sorgen natürlich da seien. Die Möglichkeit, auf Homeoffice umzustellen, besteht im Sozialbereich nicht. Menschen in verschiedensten Einrichtungen müssen weiterhin gepflegt, betreut und versorgt werden, oftmals mit viel Improvisation. „Alle Beschäftigten, die jetzt gebraucht werden, sind HeldInnen“, bekräftigt Eiletz.
„Alle Beschäftigten, die jetzt gebraucht werden, sind HeldInnen.“
Beatrix Eiletz
Die Volkshilfe in der Steiermark verteilt sich überwiegend auf drei Aufgabenbereiche: Die Kinderbetreuung, Pflegeheime und die mobilen Dienste. In den Kinderbetreuungseinrichtungen bleiben die meisten Kinder derzeit zu Hause, so auch der Großteil der MitarbeiterInnen, die nun auf Abruf bereitstehen. Tageszentren für PensionistInnen sind mittlerweile geschlossen, Pflegeheime bleiben geöffnet, allerdings herrscht dort absolutes Besuchsverbot. Da deren BewohnerInnen zu den besonders vulnerablen Gruppen gehören, dürfen sie das Haus auch nicht verlassen.
Für die Beschäftigten im mobilen Dienst nimmt die Zahl der Arbeitsstunden derzeit ab, erklärt Eiletz. Weil KundInnen Betreuungen absagen und weil Kundeneinsätze auf das notwendige reduziert werden müssen. Ein Mehrbedarf an Personal besteht hingegen in den Pflegeeinrichtungen, da in manchen der Pflegeheime bereits einige MitarbeiterInnen in Quarantäne geschickt werden mussten. Wie viele Volkshilfe-Beschäftigten sich derzeit in Quarantäne befinden, könne sie nicht sagen. Zu unübersichtlich die Situation. Während dieser herausfordernden Zeit gelte es „eine wichtige Frage nach der anderen Frage abzuarbeiten“. Und was vor allem gilt: „Dass die Beschäftigten auch in Zukunft noch Arbeit haben und ihr Gehalt unverändert weiterbekommen“.
Derzeit handhabt die Volkshilfe das so, dass alle Beschäftigten weiterhin ihre vollen Stunden schreiben, auch wenn sie unter Umständen nicht in vollem Umfang arbeiten. Wo Personalmangel besteht, versucht man innerhalb des Betriebs flexible Lösungen zu finden. Eiletz lobt den großen Zusammenhalt im Betrieb, von der Geschäftsführung abwärts sei die Solidarität unter allen Volkshilfe-Beschäftigten enorm. Außerdem melden sich derzeit viele Freiwillige bei ihnen, „die Hilfsbereitschaft ist phänomenal“, freut sich Eiletz.
Regierung plant Mobilmachung der Ex-Zivildiener
In anderen Betrieben ist die Situation offenbar deutlich angespannter, besonders in der 24-Stunden-Betreuung. So mahnt etwa die Caritas, dass man den regulären Betrieb wegen der geschlossenen Grenzen maximal noch bis Ostern aufrechterhalten kann. Die Mehrheit der rund 66.000 24-Stunden-Kräfte in Österreich kommen aus Rumänien und der Slowakei und sind daher von den geschlossenen Grenzen betroffen. Derzeit wird daher allerorts über Notlösungen nachgedacht. Etwa ob man pensioniertes Personal reaktivieren könnte oder Studierende und SchülerInnen aus dem Pflegebereich mobilisiert.
„Jetzt können die ArbeitgeberInnen endlich einmal zeigen, wie ernst sie es mit ihrer Wertschätzung meinen. Als Dankeschön braucht es hierfür keine Prämie und auch keine „Dankeschön“-Plakate – sondern echte Wertschätzung: die 35 Stunden-Woche!“
Beatrix Kauf
Die Regierung arbeitet derzeit daran, ehemalige Zivildiener zu rekrutieren. In Frage kommen sollen jene, die in den letzten fünf Jahren ihren Dienst geleistet haben, also rund 45.000 Männer. Auch die Volkshilfe in der Steiermark hat um mehr Zivildiener angesucht, erklärt Betriebsratsvorsitzende Eiletz. „Weil wir wissen nicht, wie heftig das wird“. Bei einem größeren Personalausfall, etwa aufgrund steigender Infektionszahlen oder notwendiger Isolation, bleibe auch ihnen keine andere Wahl. Derzeit fährt man auf Sicht, plant von Tag zu Tag, doch klar ist: Gerade jetzt sind SozialarbeiterInnen unverzichtbar, wie Eiletz betont.
Sie sagt das auch mit Blick auf die immer noch ausstehenden Kollektivvertrags-Verhandlungen. Seit Ende November ringen ArbeitnehmerInnen mit ArbeitgeberInnen um eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden. Mittlerweile seit sieben Verhandlungsrunden, insgesamt 50 Stunden und immer noch ergebnislos. Eiletz, die bei den Verhandlungen als Chefverhandlerin am Tisch sitzt, findet: Die Beschäftigten im Sozialbereich sind es, die derzeit „an der Front“ im Einsatz sind und händeringend versuchen, das Wohl aller KlientInnen zu garantieren – und das obwohl notwendige Schutzausrüstung fehlt. Viele von ihnen riskieren dabei nicht nur die Gesundheit ihrer KlientInnen, sondern auch ihre eigene und die ihrer Familien. „Jetzt können die ArbeitgeberInnen endlich einmal zeigen, wie ernst sie es mit ihrer Wertschätzung meinen“, findet die Betriebsratschefin. Als Dankeschön brauche es hierfür keine Prämie und auch keine „Dankeschön“-Plakate – sondern echte Wertschätzung: die 35 Stunden-Woche!