Mit Kurzarbeit durch die Krise

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Der Familienbetrieb Morawa will die Krise gemeinsam mit den MitarbeiterInnen durchtauchen. Dabei helfen Kurzarbeit und verstärkter Onlinehandel. Betriebsratsvorsitzender Martin Müllauer erklärt, warum dadurch die Arbeitsplätze langfristig gesichert werden sollen und warum die jetzige Lösung ohne Gewerkschaft nicht erreicht worden wäre.

Die Krise trifft den Buchhandel hart. Seit 16. März müssen die Geschäfte geschlossen halten. Der Familienbetrieb Morawa hat darauf schnell und umsichtig reagiert und von sich aus die Möglichkeit der Kurzarbeit für den Großteil der Beschäftigten ins Spiel gebracht.

Diese rasche Reaktion freut Martin Müllauer, der als Betriebsratsvorsitzender der Morawa Buch und Medien GmbH, die Interesse von insgesamt rund 180 ArbeitnehmerInnen vertritt. „Die Geschäftsleitung ist am ersten Schließtag in der Früh an mich herangetreten und war fest dazu entschlossen, die Möglichkeit für eine maximal dreimonatige Kurzarbeit zu ergreifen. Ich habe mich selbst gar nicht um diese, für die MitarbeiterInnen sehr vorteilhafte Lösung bemühen müssen und rasch zugestimmt.“

„Die GPA-djp hat geholfen, die Arbeitsplätze zu sichern.“

Martin Müllauer, Betriebsratsvorsitzender bei Morawa

Auch die Rolle der Gewerkschaft war eine wichtige: „Die GPA-djp hat geholfen, die Arbeitsplätze zu sichern. In der jetzigen Krise hat sich gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Sozialpartnerschaft ist. Eine Mitgliedschaft ist jetzt bedeutsamer denn je.“ Die Vorteile für die Beschäftigten liegen auf der Hand. Anstatt einer Kündigung sind nun zwei Drittel der Angestellten zu Hause und bekommen rund 80 Prozent des Gehaltes.

Online-Handel sehr wichtig

Ein Teil der Beschäftigten wird weiterhin im Morawa Online-Shop gebraucht. „Dort ist derzeit mehr zu tun, viele Menschen bestellen benötigte Bücher oder Ostergeschenke via Internet. Da fällt eine Menge Arbeit an: Bücher sortieren, einpacken und Rechnungen schreiben“, will Müllauer einen besonderen Applaus geben: „Die KollegInnen im Online-Versand leisten Übermenschliches und halten alles am Laufen, sie sorgen für geistige Nahrung und damit für ein wenig Normalität in dieser schwierigen Zeit. Das halte ich für sehr wichtig.“

„Der Online-Handel verzeichnet derzeit Weihnachtsumsätze, das wird in den nächsten Tagen sicher auch so bleiben. Ostern ist für den Buchsektor traditionell ein wichtiges Geschäftsfenster“, erklärt Müllauer warum aktuell einige Beschäftigte aus der Wollzeile oder anderen Wien nahen Filialen den Online-Shop verstärken. Auch ein Teil der Beschäftigten aus dem Sekretariat und der Sparte Publikumswerbung arbeiten völlig normal. Müllauer hofft, die Verluste für die Branche durch das Online Geschäft ein wenig abfedern zu können und appelliert gleichzeitig an die KundInnen bei lokalen Buchhändlern zu bestellen, anstatt bei globalen Versandriesen: „Wir versuchen Arbeitsplätze in Österreich zu erhalten.“

Martin Müllauer hofft, die Verluste für die Branche durch das Online-Geschäft ein wenig abfedern zu können und appelliert gleichzeitig an die KundInnen bei lokalen Buchhändlern zu bestellen, anstatt bei globalen Versandriesen.
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Der Betriebsratsvorsitzende selbst ist auch in Kurzarbeit, langweilig wird ihm dabei allerdings nicht: „Vom Gefühl her befinde ich mich eher in Langarbeit. Die Verunsicherung ist groß, persönliche Gespräche und Erklärungen schaffen Sicherheit. Ich bin natürlich weiterhin und sehr gerne für alle Beschäftigten da“, erklärt Müllauer.

Die Kurzarbeits-Lösung hat der Betriebsrat auch für die KollegInnen der Morawa-Leykam mitverhandelt: „Dort arbeiten 49 von 50 KollegInnen in Kurzarbeit. Der Betriebsratskollege aus der Steiermark konnte aufgrund der Reisebeschränkungen nicht selbst vor Ort sein.“

Inhaber setzen auf Stabilität

Insgesamt geht der Umsatz in der Branche aber naturgemäß zurück. „Wir haben 20 von 20 Geschäften geschlossen, der Umsatzeinbruch ist über den Online Handel nicht wettzumachen“, erklärt Müllauer die aktuellen Geschäftseinbrüche. Dennoch setze die Geschäftsleitung auf Stabilität und Kontinuität. „Kündigungen waren von Beginn an kein Thema. Die Inhaber sind sich der Bedeutung unseres Fachpersonals bewusst“, erklärt der Betriebsrat. Viele Angestellte sind bereits seit sehr vielen Jahren im Unternehmen. „Diese Kollegen haben ein hohes Fachwissen und kennen sich auch mit den internen Abläufen und den Computersystemen aus.“ Das sei das Kapital, in das die Firma investiert habe. „Diese Leute werden bei uns auch nach der Krise wieder gebraucht. Die Besitzer wissen, dass neues Personal wieder neu eingeschult werden müsste und wollen die Situation daher mit der Belegschaft gemeinsam überdauern“, sieht Müllauer die Vorteile im Familienunternehmen begründet: „Wir sind nicht abhängig von Aktionären, die Inhaber wollen, dass Morawa nach Corona weiter existiert und durch die Kurzarbeit die Liquidität sichern.“

„Die Angestellten weiter bezahlen zu müssen ohne Umsätze zu machen, hätte unweigerlich zu zahlreichen Kündigungen geführt“

Martin Müllauer, Betriebsratsvorsitzender bei Morawa

Kurzarbeit verhindert Kündigungen

Die Kurzarbeit hilft dabei, Kündigungen zu vermeiden, weil ein Teil der ausbezahlten Gehälter vom AMS zugeschossen wird. „Die Angestellten weiter bezahlen zu müssen ohne Umsätze zu machen, hätte unweigerlich zu zahlreichen Kündigungen geführt“, hält Müllauer die Kurzarbeit für die bessere Lösung obwohl viele KollegInnen Einkommenseinbußen erleiden: „Dafür wissen sie aber, dass sie im Grunde genommen auch weiterhin ihren Job haben werden und haben aktuell auch mehr Freizeit.“

Das bestätigt auch Barbara Wiesinger, die seit 1999 im Verkauf bei Morawa beschäftigt ist. Aktuell ist sie in Kurzarbeit und aufgrund starken allergischen Asthmas de facto freigestellt. „Es fühlt sich eigenartig an. Ich muss nicht arbeiten und bekomme trotzdem einen Großteil meines Gehaltes.“

„Ich habe viele Freunde, die in Unternehmen arbeiten, wo die Krise dazu benutzt wurde, ältere MitarbeiterInnen zu kündigen.“

Barbara Wiesinger, Angestellte bei Morawa

Nach Bekanntgabe der Geschäftsschließungen war die 40-Jährige sehr verunsichert und wusste nicht, wie es für sie persönlich weitergehen soll. Als sich die Geschäftsführung so rasch zur Kurzarbeit entschlossen hat, war sie sehr erleichtert: „Ich hoffe, dass dadurch mein Arbeitsplatz erhalten bleibt.“ Wiesinger weiß, dass es auch anders geht: „Ich habe viele Freunde, die in Unternehmen arbeiten, wo die Krise dazu benutzt wurde, ältere MitarbeiterInnen zu kündigen.“

Risikogruppen freigestellt

Imponiert hat der Angestellten auch, wie verantwortungsbewusst mit Risikogruppen innerhalb der Belegschaft umgegangen wurde: „Leute mit langem Anfahrtsweg in öffentlichen Verkehrsmitteln, ältere KollegInnen oder jene mit Atemwegs- oder Herzkreislauferkrankungen wurden rasch freigestellt. Obwohl meine Allergie an sich nicht lebensbedrohlich ist, finde ich es einen feinen Zug von der Firma, dass schnell klar war, dass auch der kleinste Risikofaktor zu einer Freistellung führt.“ Das Lebensalter der Angestellten und zuvor bekannt gemachte Erkrankungen wurden vom Betrieb als Risikofaktoren anerkannt. Der jeweilige Filialleiter habe entschieden, wie sich die aktuelle Notbesetzung zusammensetzt.

Grundsätzlich muss Wiesinger natürlich verfügbar sein und hofft, dass bald wieder mehr zu tun sein wird: „Ich freue mich darauf, an meinen angestammten Arbeitsplatz zurückzukehren. Unsere Geschäftsführung hat in der Krise schnell und umsichtig reagiert.“ Auch die Kommunikation sei unkompliziert und professionell abgelaufen. „Es gab keine Kündigungen ohne Sinn und Verstand, es wurde Rücksicht genommen und überlegt, was für die Beschäftigten das Beste ist“, so Wiesinger.

Mit der Gehaltsreduktion kann die Angestellte gut leben: „Es ist unlustig weniger zu verdienen als vorher, aber immer noch viel besser, als den Job ganz zu verlieren.“ Sie ist allerdings zuversichtlich, auch mit dem Kurzarbeitszeitgeld gut auszukommen, da sie insgesamt das Gefühl hat, in der Quarantäne weniger auszugeben als im normalen Arbeitsalltag. „Wenn ich arbeite bin ich insgesamt mehr unterwegs und gebe mehr Geld aus“, erklärt Wiesinger.

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