Mit attraktiver Lehrausbildung gegen IT-Fachkräftemangel

Julian Sommer-Schmelzenbarth ist Betriebsrat im IT Bereich. Er vertritt die GPA Jugend bei den Kollektivvertragsverhandlungen in der IT Branche. Angesichts von 24.000 fehlenden Fachkräften in IT-Berufen möchte er die Ausbildung junger Menschen bei den kommenden Kollektivvertragsverhandlungen in den Vordergrund stellen und fordert einen Ausbildungsfond für die österreichische IT-Wirtschaft.
Foto: Edgar Ketzer

Der IT-Branche fehlen tausende Fachkräfte. Die GPA möchte hier mit einem Ausbildungsfonds für die österreichische IT-Wirtschaft entgegenwirken: dieser soll Betriebe unterstützen, die Lehrlinge ausbilden, aber auch Studierenden in IT-relevanten Studiengängen unter die Arme greifen. Etabliert werden sollen zudem neue Studiengänge im Bereich IT, fordert GPA-Bundesjugendsekretär Christian Hofmann.

Die Lage ist prekär: Österreichweit fehlen laut Angaben des Fachverbands UBIT (Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT) 24.000 Fachkräfte im Bereich Informationstechnologie. Das hat auch volkswirtschaftliche Auswirkungen: knapp 3,8 Mrd. Euro an Wertschöpfung – das entspricht grob gesprochen einem Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung – können laut UBIT nicht realisiert werden, so Hofmann.

Jene, die in der IT-Branche arbeiten, klagen zudem angesichts von immer mehr KollegInnen, die sich in Altersteilzeit befinden, über Arbeitsverdichtung und die Gefahr, in ein Burnout zu rutschen, wie Julian Sommer-Schmelzenbarth, Betriebsrat in einer der österreichweit nur 47 großen IT-Firmen (also mit 250 oder mehr MitarbeiterInnen) betont. Dieser Generationenwandel – „die Boomer-Jahrgänge gehen langsam in Pension“ – sei ein Teil des Problems. Ein anderer Teil sei die Kleinteiligkeit der Branche.

Rund 78.000 Menschen sind derzeit österreichweit nach dem IT-Kollektivvertrag angestellt. IT-Kräfte gibt es freilich mehr – wenn sie aber etwa in einem Industriebetrieb, einem Handelsunternehmen, einer Bank beschäftigt sind, werden sie oft nach einem anderen Kollektivvertrag angestellt. Jene 78.000 Menschen, die in einem reinen IT-Unternehmen arbeiten, tun dies meist in einem sehr kleinen Betrieb. Über 90 Prozent der Betriebe haben nur bis zu neun MitarbeiterInnen, weitere acht Prozent zwischen zehn und 249 Beschäftigte und die wenigen restlichen ab 250 Angestellte, schildert Sommer-Schmelzenbarth.

Wo drückt der Schuh nun am meisten?

Von ArbeitnehmerInnenseite ist es der Arbeitsdruck, der Sorgen macht, Stichwort: Work-Life-Balance. Auch die Entlohnung könnte höher sein – der IT-Kollektivvertrag biete hier schlechtere Konditionen als andere Kollektivverträge – das würde von den KollegInnen aber nicht in den Vordergrund gerückt. Gewünscht werden vor allem weniger Arbeitsverdichtung und mehr Freizeit.

„Viele Beschäftige wollen sich aussuchen können, ob sie eine Gehaltserhöhung in Form von mehr Lohn erhalten wollen oder sie in Form von einer niedrigeren Wochenarbeitszeit in mehr Freizeit umwandeln möchten“

Julian Sommer-Schmelzenbarth

Dazu bräuchte es vor allem eines: mehr IT-Fachkräfte. Warum es hier zu wenig Nachwuchs gibt, erklärt der Betriebsrat so: einerseits sei die IT-Branche in Österreich vorrangig eine Dienstleistungsbranche und weniger eine erzeugende Branche. Es sei aber weniger attraktiv etwa im Bereich Netzwerktechnik zu arbeiten als für einen coolen IT-Giganten wie Apple oder Google. Andererseits gäbe es durchaus aktuell interessante, innovative Start-Ups – sie aber finden in Österreich keine Fachkräfte, die so ausgebildet sind, dass sie sie einsetzen können, gleichzeitig machen es die rechtlichen Rahmenbedingungen schwer, Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Österreich zu holen. Das führe dazu, dass heimische Firmen Töchter im Ausland gründen – und das führe dann oft auch noch zum Abwandern österreichischer Fachkräfte ins Ausland, so Sommer-Schmelzenbarth. Und dann sei da auch noch die hohe Dropoutrate in IT-Studiengängen – und der Umstand, dass es viel zu wenige Lehrlinge in dem Bereich gibt. Derzeit bildet die Branche weniger als 800 Lehrlinge aus – das seien ein Prozent aller Lehrlinge, so Hofmann.

Wie aber dem Fachkräftemangel entgegenwirken?

Die GPA schlägt hier nun die Einrichtung eines Ausbildungsfonds für die österreichische IT-Wirtschaft vor. Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, könnten aus diesem Fonds unterstützt werden, andere, die das nicht tun, dafür in den Fonds einzahlen. Das würde für einen Ausgleich unter den ausbildungswilligen und den ausbildungsunwilligen Betrieben sorgen, so Hofmann. Das käme am Ende aber allen zu Gute, denn die Branche brauche gut ausgebildete MitarbeiterInnen.

Gleichzeitig könnten mit Fondsmitteln auch berufstätige Studierende im Bereich IT unterstützt werden, um die Abbruchsquoten in diesen Studiengängen zu senken. Über eine konkrete Höhe an Mitteln, die hier nötig wären, will Hofmann dabei noch nicht sprechen. Der Fonds solle nämlich sozialpartnerschaftlich arbeiten und sich daher auch sozialpartnerschaftlich aufstellen. Dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken sei schließlich im Interesse sowohl der Unternehmen als auch der ArbeitnehmerInnen.

„Es geht darum, jungen Leuten eine Chance zu geben – und die Arbeitsbedingungen in der IT-Branche zu verbessern“

Christian Hofmann

Die GPA schlägt aber auch die Etablierung neuer Lehrberufe im Bereich IT vor. Cyberangriffe seien auf dem Vormarsch, 60 Prozent von 500 befragten Unternehmen gaben etwa laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG an, in den vergangenen zwölf Monaten Opfer eines Cyberangriffs gewesen zu sein. Cybersecurity sei daher ein immer wichtigeres Thema – und eine Lehrausbildung in dem Bereich wäre eine Idee, auch um dem dem Bedarf nach Datenschutzlösungen gerecht zu werden. Aber auch im Bereich „Embedded Systems“, also den Schnittstellen zwischen Hard- und Software, braucht es dringend mehr Fachkräfte. Eine eigene Lehrausbildung kann sich Hofmann zudem im Bereich „Green IT“ vorstellen. Fachkräfte braucht es zudem für das Design von sicheren Systemen in Gesundheitskontexten – der GPA-Bundesjugendsekretär verweist hier auch die Debatten rund um den Grünen Pass als Pandemiebekämpfungsinstrument. „Es geht darum, jungen Leuten eine Chance zu geben – und die Arbeitsbedingungen in der IT-Branche zu verbessern“, so Hofmann.

Beide Themen – die Etablierung eines Ausbildungsfonds und dieser vier neuen Lehrberufe – sollen von Gewerkschaftsseite auch bei den nun startenden KV-Verhandlungen im Bereich IT eingebracht werden. Höhere Gehälter – und damit einen nachhaltigen Reallohnzuwachs – sind angesichts der Tatsache, dass die IT-Branche zu den Corona-GewinnerInnen zähle, aber ebenfalls eine Forderung, betont Sommer-Schmelzenbarth. Außerdem will die ArbeitnehmerInnenseite auch die Möglichkeit, Gehaltsbestandteile in Freizeit umzuwandeln, zur Sprache bringen. „Viele Beschäftige wollen sich aussuchen können, ob sie eine Gehaltserhöhung in Form von mehr Lohn erhalten wollen oder sie in Form von einer niedrigeren Wochenarbeitszeit in mehr Freizeit umwandeln möchten“, sagt der Betriebsrat.

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