Lehrlingsmonitor: Ausbildung oder Auto waschen für den Chef?

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Die jährliche Befragung durch Gewerkschaften und AK zeigt: Corona sowie Mängel in der Ausbildung schlagen sich in einigen Branchen negativ in der Zufriedenheit der Lehrlinge nieder. Wie man die Lehre attraktiver machen und die Qualität der Lehrausbildung verbessern könnte erklärt Christian Hofmann von der GPA Jugend.

Wie zufrieden sind die Lehrlinge mit ihrer Ausbildung? Gewerkschaftsjugend und Arbeiterkammer haben Lehrlinge aus ganz Österreich für die vierte Ausgabe des Lehrlingsmonitors befragt. Im Mittelpunkt stand, wie in den letzten Jahren, die Ausbildungsqualität. Diesmal kamen auch die Ausbildungsbedingungen während Lockdown und Pandemie zur Sprache.

„Das Ergebnis der Befragung zeigt ein grundsätzlich positives, in einigen Branchen allerdings ein gemischtes Bild“, fasst Christian Hofmann, Bundesjugendsekretär der GPA, die Ergebnisse zusammen. Die allgemeine Zufriedenheit ist nach wie vor hoch, zwei von drei Lehrlingen sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. „Das ist an sich ein solider Wert, der zeigt, dass die Qualität der Lehrausbildung in Österreich immer noch gut ist“, findet Hofmann. „Trotzdem gibt es in manchen Berufen noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Die Zufriedenheit hängt stark vom jeweiligen Lehrberuf ab.“

Mehr als 100.000 junge Menschen absolvieren in Österreich eine Lehrausbildung. Dieser duale Bildungsweg war und ist ein Erfolgsmodell, das es jungen Menschen ermöglicht, einen Beruf zu erlernen, eigenes Geld zu verdienen und am Ende der Lehre als Fachkraft durchzustarten. „Wer gute Fachkräfte einfordert, muss auch selber Fachkräfte qualitativ hochwertig ausbilden“, sagt Hofmann.

„Wer gute Fachkräfte einfordert, muss auch selber Fachkräfte qualitativ hochwertig ausbilden“

Christian Hofmann

Für den diesjährigen Lehrlingsmonitor hat das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) einen branchenübergreifenden Sample von 4.100 Lehrlingen im letzten Lehrjahr befragt, neu dazu kamen auch 2.000 Lehrlinge in der Anfangsphase ihrer Ausbildung, um Erwartungen und Kritik zu Beginn und zu Ende der Ausbildung vergleichen zu können.

Attraktive Berufsausbildungen

Immerhin stolze 68 Prozent der MechanikerInnen gaben an, ihr erlernter Beruf sei ihr Traumberuf – jedoch nur 16 Prozent der Lehrlinge im Einzelhandel. „Das ist ernüchternd, ich hoffe, dass hier in den Betrieben und bei den AusbildnerInnen die Alarmglocken läuten.“ Ebenfalls im Einzelhandel waren 62 Prozent zu Beginn ihrer Ausbildung vom Beruf begeistert, im dritten Lehrjahr sind es nur noch 44 Prozent. Überdurchschnittlich groß ist die Unzufriedenheit bei den Lehrlingen auch in Tourismus- und Gastronomie-Lehrberufen.

Doch was macht eine Lehre bzw. einen Lehrberuf für Jugendliche attraktiv? Abgefragt wurden im Lehrlingsmonitor die Qualität der Ausbildung, aber auch die Rahmenbedingungen bei der Arbeit im Betrieb. Und hier läuft nicht immer alles rund: So absolviert etwa ein Drittel der Lehrlinge Überstunden, und das, obwohl dies für Lehrlinge unter 18 eigentlich verboten ist. Noch dazu erhielten 14 Prozent keine Abgeltung dafür!

„Die Lehrlinge wissen genau, dass sie missbräuchlich für Tätigkeiten eingesetzt werden, die nichts mit ihrer eigentlichen Arbeit zu tun haben. Das ist für viele demotivierend.“

Christian Hofmann

Knapp über ein Drittel aller Lehrlinge wird immer wieder zu Arbeiten herangezogen, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben: Entweder sind dies einfache Tätigkeiten für den Betrieb, wie z.B. Rasenmähen, Showroom putzen und Schnee schaufeln (KFZ-Techniker), oder Staub saugen, Blumen gießen und die Küche reinigen (Bürokauffrau).

Etwas mehr als ein Drittel der Lehrlinge muss während der Ausbildung auch Tätigkeiten erledigen, die mit der Ausbildung nichts zu tun haben, wie putzen, Rasen mähen oder Schnee schaufeln.
Quelle: Befragung des öibf

Genannt wurden außerdem auch Tätigkeiten für den privaten Bedarf des/der ChefIn wie Auto waschen, mit dem Hund Gassi gehen, Holz in Wohnung vom Chef räumen, u.a.m. „Die Lehrlinge wissen genau, dass sie missbräuchlich für Tätigkeiten eingesetzt werden, die nichts mit ihrer eigentlichen Arbeit zu tun haben. Das ist für viele demotivierend“, sagt Hofmann.

In der Folge will jede/r dritte Befragte nicht im Lehrbetrieb bleiben – fast die Hälfte davon auch nicht im Beruf: Auf die Frage „Wie würdest du dich nochmals entscheiden?“ fielen die Antworten je nach Beruf unterschiedlich aus. So gaben z.B. 82 Prozent der MetalltechnikerInnen im ersten Lehrjahr an, sie würden ihre Lehre im gleichen Betrieb auch wieder auswählen, im vierten Lehrjahr waren es immer noch 69.

Ganz anders sehen diese Zahlen im Einzelhandel aus: Dort wären im ersten Lehrjahr schon mal nur 62 Prozent bereit, die gleiche Lehre im gleichen Betrieb wieder aufzunehmen, im vierten Lehrjahr sind es nur noch 44 Prozent. Ganze 24 Prozent – also einer von vier Lehrlingen – würden weder den Beruf ein zweites mal erlernen wollen, noch den gleichen Betrieb wieder auswählen. „Das ist kein Ruhmesblatt“, bedauert Hofmann, „die Handelsbetriebe wären gut beraten, die Kritik ernst zu nehmen und ihren Fachkräfte-Nachwuchs besser zu betreuen.“

Corona

Um nicht Beschäftigte und Lehrlinge kündigen zu müssen, war zu Beginn der Krise von den Sozialpartnern die Möglichkeit zur Kurzarbeit vereinbart worden. Die Maßnahme war erfolgreich und half, bestehende Lehrstellen zu sichern. Einer von fünf für den Monitor befragten Lehrlingen war zum Zeitpunkt der Befragung in Kurzarbeit. Der Nachteil: 19 Prozent berichten, „eher nicht“ oder „gar nicht mehr“ ausgebildet worden zu sein.

Auch die Mängel bei der Ausbildung im Umgang mit digitalen Geräten und Anwendungen stellen allzu oft ein Problem dar. Viele Betriebe setzen sich nicht mit Digitalisierung auseinander und investieren auch nicht in die IT-Infrastruktur. Beim Distance Learning machten sich diese Schwachstellen bemerkbar. Christian Hofmann freut sich, dass die GPA bei den KV-Verhandlungen hier punkten konnte: „Wir konnten für unsere Lehrlinge im Handel einen Digitalisierungsbonus von 100 Euro für technisches Equipment durchsetzen.“

Einkommen

„Die Lehre muss an Attraktivität gegenüber der schulischen und der akademischen Ausbildung gewinnen“, ist Hofmann überzeugt. „Ein maßgeblicher Faktor dafür ist die Höhe der Lehrlingseinkommen, ganz besonders dort, wo sich der Fachkräftemangel bemerkbar macht.“ Wichtig war daher die Forderung von GPA und PRO-GE nach mindestens 1.000 Euro Lehrlingseinkommen in der Metallindustrie und ein KV-Abschluss mit einer Steigerung der dieser Einkommen um mehr als 6 Prozent.

Während in der Metallindustrie ein Lehrling im 4. Lehrjahr nun auf 1.750 Euro 14 Mal pro Jahr kommt (plus 5,63 Prozent nach den diesjährigen KV-Verhandlungen), oder das Metallgewerbe zusätzlich zum KV-Plus (3,45 Prozent) noch ein Klimaticket für alle Lehrlinge drauflegt, erhalten Lehrlinge im 4. Lehrjahr in Hotel und Gastronomie 1.105 Euro – „genau jene Branche, die am lautesten über den Fachkräftemangel jammert“, kritisiert Hofmann.

Ähnlich auch die IT Branche, die das Fehlen von tausenden Fachkräften beklagt, gleichzeitig aber weniger als 800 Lehrlinge ausbildet. Das Lehrlingseinkommen von 680 Euro im ersten Lehrjahr bleibt außerdem sehr deutlich hinter Handel, Metallindustrie, Elektroindustrie zurück. Hofmann: „Wir haben deshalb bei den KV-Verhandlungen die Forderung nach einem Ausbildungsfonds gestellt. Alle Unternehmen der Branche würden darin einzahlen. Jene Unternehmen, die ausbilden, erhalten daraus dann Förderungen.“

Forderungen

„Um eine einheitlich gute Qualität in der Ausbildung für alle Lehrlinge zu erreichen, müsste der Fortschritt regelmäßig und standardisiert dokumentiert werden“, fordert Hofmann.  Denn von den befragten Lehrlingen gaben drei Viertel an, für sie gäbe es keine regelmäßige Dokumentation der Ausbildung, und niemand reflektiert mit ihnen den Ausbildungsfortschritt. Besonders in kleineren Betrieben ist dieses Manko auffällig.

Eine zentrale Forderung der GPA Jugend sind daher verpflichtende Kompetenzchecks. Diese sollten zur Mitte der Ausbildung stattfinden, mit Feedback sowohl an Lehrlinge, als auch an Lehrbetriebe. „So können Lehrlinge rechtzeitig erfahren, ob ihre Fertigkeiten und ihr Wissen tatsächlich dem erwarteten Stand entsprechen“, erklärt Hofmann.

Die GPA Jugend pocht außerdem auf eine Reform der AusbilderInnen-Ausbildung, insbesondere was die pädagogische und fachliche Qualität angeht.

Und um jene Betriebe zu unterstützen, die Lehrlinge ausbilden, bräuchte es die schon seit längerem geforderten Ausbildungsfonds. Betriebe, die nicht ausbilden, obwohl sie könnten, müssten dabei in einen Topf einzahlen, aus dem dann Fördermittel für die ausbildenden Betriebe fließen.

„Wer Fachkräfte will, muss Fachkräfte ausbilden“, fasst Hofmann zusammen, „Gut vorbereitet auf die Lehrabschlussprüfung und gut vorbereitet auf ein Berufsleben als Fachkraft ist, wer als Lehrling umfassend und praxisnah ausgebildet wurde.“

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