Von der Gewerkschaftsschule zur Betriebsratswahl

Foto: privat

Zwei Dienstgeber und zweierlei Recht im gleichen Betrieb, das führt zu ungleichen Arbeitsbedingungen und Ungerechtigkeiten. Barbara Maislinger fand es an der Zeit, aktiv zu werden und gründete einen Betriebsrat.

Barbara Maislinger (47), Diätologin an der  NeuroCare Reha-Klinik in Salzburg, wollte sich an ihrem Arbeitsplatz politisch engagieren. In der Gewerkschaft GPA Salzburg schlug man ihr vor, die Gewerkschaftsschule zu absolvieren. „Ich war von der Idee sofort überzeugt, wollte aber noch mehr: nämlich in der Klinik, in der ich arbeite, einen Betriebsrat gründen“, erzählt Maislinger. Als sie Orhan Dönmez von der Gewerkschaft GPA und Ronny Güntzel vom ÖGB Salzburg von diesem Plan erzählte, war die Antwort: „Gute Idee, mach das!“ erinnert sie sich lachend.

Nur wenige Monate später ist Maislinger stolze Betriebsratsvorsitzende des neu gegründeten Betriebsratsteams. Die Zustimmung für die von ihr angeführte Liste „TEAM GESO“ (Teamgeist Gemeinschaft, Solidarität) betrug 94 Prozent, ein überaus starkes Zeichen!

Zwei Dienstgeber im gleichen Betrieb

Die Salzburger NeuroCare Rehabilitationsklinik ist auf neuro-rehabilitative Behandlungen spezialisiert. Sie kooperiert mit der Universitätsklinik für Neurologie (Christian Doppler Klinik), verfügt über 29 Betten und bietet auch ambulante Behandlungen an. Das Durchschnittsalter der PatientInnen liegt zwischen 50 und 60 Jahren. „Der jüngste Patient war 17, der älteste 94“, erzählt Maislinger. Schlaganfall, multiple Sklerose, seltene neurologische Erkrankungen oder Schädel-Hirn-Trauma gehören zu den häufigsten Gründen für einen Aufenthalt. Dazu kommen seit dem letzten Jahr auch häufiger Long Covid PatientInnen. Die Reha-Klinik ist zu hundert Prozent ausgelastet.

Ihre Träger sind zur Hälfte die gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken sowie die private Humanocare GmbH, die in ganz Österreich Einrichtungen für ältere Menschen und Zentren für Rehabilitation anbietet. Was zur Folge hat, dass ein Teil der Beschäftigten an der Klinik Landesbedienstete sind, der andere Teil ist beim privaten Träger angestellt.

v.l.n.r.: Ronny Güntzel (ÖGB), Barbara Maislinger, Julia Stonig, Florian Philipp, Amela Suljic (NeuroCare Rehaklinik Salzburg), Orhan Dönmez (Gewerkschaft GPA)
Foto: GPA-Salzburg

„Das ist genau der Knackpunkt“, erklärt Maislinger, „deshalb ist es komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Wir haben zweierlei MitarbeiterInnen, die einen gehören zur Landesklinik, die anderen zur Humanocare. Darum wollte ich einen Betriebsrat auf die Beine stellen. Weil es hier Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten aufgrund zweier verschiedener Dienstgeber im gleichen Betrieb gibt.“

Maislinger und ihr Betriebsratsteam – drei aktive BetriebsrätInnen, zwei in Reserve – vertreten nun die 21 Beschäftigten von Humanocare. Dazu gehören TherapeutInnen und PflegerInnen. Maislinger selbst ist Diätologin, sie verfügt aber zusätzlich über eine Pflegeausbildung, daher kennt sie die Arbeit und die Anliegen der PflegerInnen ebenfalls gut.

Gewerkschaftsschule

Maislinger arbeitet in der Reha-Klinik seit zwölf Jahren. Ihre Ausbildung hat sie in Wien absolviert, nach einigen Jahren in der Steiermark ist die gebürtige Salzburgerin schließlich wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie ist derzeit Teilzeitbeschäftigte. Sie war relativ lange alleinerziehende Mutter und wollte flexibel sein und Zeit für ihre Tochter haben. Neben ihrer fixen Stelle an der Klinik ist sie noch freiberuflich tätig.

„Je älter man wird, desto mehr stoßen einem Ungerechtigkeiten auf. Ich wollte aktiv werden, und ich wollte auch lernen. Die Gewerkschaftsschule kann mir genau das bieten.“

Barbara Maislinger

Jetzt, wo die Tochter fast erwachsen ist, bleibt Maislinger wieder mehr Zeit für sich – Zeit, um sich zu engagieren. Seit September vorigen Jahres besucht Maislinger nun jeden Dienstag abends Kurse und Vorträge an der Gewerkschaftsschule. „Je älter man wird, desto mehr stoßen einem Ungerechtigkeiten auf. Ich wollte aktiv werden, und ich wollte auch lernen. Die Gewerkschaftsschule kann mir genau das bieten.“

Die neuen Kontakte zu Gleichgesinnten, sowie die Gespräche und Diskussionen während der letzten Monate, waren für Maislinger äußerst hilfreich. „Für mich ist das eine große Bereicherung! Ich nehme es eigentlich nicht als Arbeit wahr. Ich lerne, was die Gewerkschaften alles leisten, erhalte Hintergrundwissen und viele Infos – ich bin sehr froh, mich für diese tolle Ausbildung entschieden zu haben!“

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Betriebsratswahlen

Die Betriebsratswahlen für die Privatangestellten in der Reha-Klinik gingen am 9. März erfolgreich über die Bühne. Die hohe Wahlbeteiligung freut Maislinger: „Gut zu sehen, dass Mitspracherechte eine so hohe Zustimmung finden!“ Während der Vorbereitung für die Wahl war sie mit Orhan Dönmez (GPA) und Ronny Güntzel (ÖGB) oft im Gespräch. „Wenn man zum ersten Mal so eine Wahl durchführt, ist es wichtig, dass der Ablauf und das Prozedere stimmen, und da war die Gewerkschaft eine riesengroße Unterstützung.“

War es schwierig, KollegInnen zu finden, die mitmachen? „Die ersten beiden zu überzeugen war kein Problem, ausreichend KollegInnen für die Reserveplätze zu finden war schon etwas schwieriger“, erzählt Maislinger. „Es hat viele Gespräche mit den KollegInnen gebraucht, Antworten auf Fragen wie: was kommt da auf mich zu, wie viel Zeit wird das in Anspruch nehmen, aber auch: mache ich mich unbeliebt?“

„Wenn man zum ersten Mal so eine Wahl durchführt, ist es wichtig, dass der Ablauf und das Prozedere stimmen, und da war die Gewerkschaft eine riesengroße Unterstützung.“

Barbara Maislinger

Eine gewisse Ängstlichkeit davor, sich unbeliebt zu machen bzw. möglicherweise Gegenwind zu bekommen, ist dem Sozialbereich geschuldet, denkt Maislinger: „Wir sind alle trainiert, kooperativ zu sein, wir haben aber nicht gelernt, Kritik nach oben zu geben. Probleme lösen wir eher im Team, wir vermeiden Konflikte. Einer Belegschaftsvertretung anzugehören ist dann eine ungewohnte Position!“

Gegenwind, ergänzt Maislinger, hat sie übrigens bis jetzt noch keinen bekommen, im Gegenteil, der leitende Oberarzt der Reha-Klinik unterstützt die BR-Gründung und steht auf ihrer Seite. Auch was die Geschäftsführung der Humanocare angeht ist Maislinger zuversichtlich: „Die Wahlen verliefen ohne Probleme, man hat uns keine Steine in den Weg gelegt. Uns als Betriebsratsteam ist sehr an einer konstruktiven Zusammenarbeit gelegen.“

Zweierlei Recht am Arbeitsplatz

Worum es inhaltlich gehen wird: Die beiden Dienstgeber führen dazu, dass in der Rehaklinik unterschiedliches Recht gilt – eine Art Zweiklassensystem. So haben die Landesbediensteten ab dem 43. Geburtstag Anspruch auf eine 6. Urlaubwoche. Die Privatangestellten bei Humanocare jedoch nicht, für sie  gilt die Regel, dass die 6. Urlaubswoche erst ab dem 25. Dienstjahr erreicht werden kann. „In unserer Branche wechselt man öfter den Arbeitgeber, in den Genuss dieser 6. Woche zu kommen, ist daher äußerst schwierig“, kritisiert Maislinger. „Zugleich wäre es aber extrem wichtig, eine Woche mehr Anspruch auf Erholung zu haben, unsere Arbeit ist sehr belastend!“

Ein weiterer Punkt, der für die Betriebsrätin ganz oben auf der Agenda steht, sind die Nachtdienste. Hier bekommen die Landesangestellten zwei Stunden zusätzlich Zeit gutgeschrieben. Das macht bei fünf Nächten im Monat ein Minus von zehn Stunden für die PflegerInnen bei Humanocare – eine Ungerechtigkeit, die Maislinger so nicht stehen lassen will und Verbesserungen anstrebt.

„Wir müssen z.B. oft schwere PatientInnen heben. Es gibt allerdings kein Gesundheitsangebot für uns zum Ausgleich, keinen Sport und auch keine Programme zur Entspannung. Hier muss sich unbedingt etwas ändern!“

Barbara Maislinger

Wofür sie sich außerdem einsetzen will, ist die innerbetriebliche Gesundheitsförderung, denn PflegerInnen und TherapeutInnen haben Berufe, die psychisch und körperlich belastend sind. „Wir müssen z.B. oft schwere PatientInnen heben. Es gibt allerdings kein Gesundheitsangebot für uns zum Ausgleich, keinen Sport und auch keine Programme zur Entspannung. Hier muss sich unbedingt etwas ändern!“

Die Herausforderung wird sein, für TherapeutInnen und PflegerInnen gleichermaßen Verbesserungen bewirken zu können, denn diese beiden Bereiche unterscheiden sich in z.T. grundlegenden Dingen. So haben TherapeutInnen normale Arbeitszeiten ohne Nachtdienste und ohne Wochenend- oder Feiertagsarbeit, im Gegensatz zur Pflege. „Das zu bündeln und gerechte Lösungen für alle zu finden, wird nicht immer einfach sein.“

Rahmenbedingungen für die Branche

Was Maislinger besonders am Herzen liegt: „Die Notwendigkeit von Gewerkschaften und gewerkschaftlicher Vertretung ist viel zu wenig im Bewusstsein verankert! Viele wissen z.B. nicht, dass das 13. und 14. Monatsgehalt nicht im Gesetz steht, sondern im KV.“ In der Branche müssen dringend die Rahmenbedingungen verbessert werden, denn: „Klatschen, so wie während der Pandemie, ist zu wenig! Was wir leisten, ist für die Genesung und damit auch für die Arbeitsfähigkeit der Menschen essentiell. Wir machen sie in der Reha wieder fit für die Arbeit! Insofern übersieht die Politik die volkswirtschaftliche Bedeutung unserer Arbeit, wenn sie uns im Stich lässt mit unseren Forderungen.“

Andererseits, findet Maislinger, müssen auch die Beschäftigten in der Branche lernen, sich besser selbst zu organisieren. „Wir sind es zu sehr gewohnt, demütig zu dienen. Da geistern noch viele veraltete Ansichten in den Köpfen herum. Krankenhäuser sind außerdem sehr stark hierarchisch aufgebaut. Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir uns auf die eigenen Füße stellen und dafür kämpfen.“

Maislingers nächste Schritte: ihr Gegenüber die Dienstgeber treffen, sowie sich mit ihren Partnerbetriebsräten vernetzen. Das ist einerseits die Belegschaftsvertretung der Landesbediensteten in ihrer Klinik, andererseits die Betriebsräte bei Humanocare in anderen Häusern. Hier bestehen bereits erste Kontakte aus der Zeit vor der Betriebsratsgründung. Die Gewerkschaft GPA wird sie dabei weiterhin tatkräftig unterstützen, außerdem wird die GPA nun die Ausbildung der für die kommenden fünf Jahre gewählten Mandatare übernehmen.

Zur Person:

Barbara Maislinger ist Mutter einer fast erwachsenen Tochter, war lange alleinerziehend und ist seit 5 Jahren wieder verheiratet. In ihrer Freizeit lernt sie gerne – „lernen macht mir Spaß, das ist keine Arbeit“ – kocht, liest viel und liebt Musik. Sie ist begeisterte Hobbygärtnerin.

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