Arbeitsklima-Index: Enormes Potential bei Arbeitszeitverkürzung

Immer mehr Menschen in Österreich wollen kürzer arbeiten. Nicht nur junge Arbeitnehmer:innen, sondern alle Altersgruppen. Eine aktuelle Auswertung des AK Arbeitsklima-Index zeigt, dass eine kürzere Vollzeit hohe Zustimmung findet.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist für die Beschäftigten nach wie vor der Angelpunkt aller Arbeitszeitregelungen. Die Zufriedenheit mit dieser Vereinbarkeit ist seit 2008 und dann wieder besonders seit Corona stark gesunken. Immer mehr Arbeitnehmer:innen möchten weniger Stunden arbeiten, andererseits wollen Teilzeitbeschäftigte aufstocken. Die Arbeit ist ungleich verteilt, rechnet die Arbeiterkammer Oberösterreich in ihrem letzten Arbeitsklima-Index vor.

Ganze 28 Prozent aller Arbeitnehmer:innen wollen derzeit weniger Arbeitsstunden leisten als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart. Bei den Vollzeitkräften sind es sogar 32 Prozent. Zugleich möchte fast ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten die wöchentliche Arbeitszeit erhöhen. „Die aktuelle Diskussion um eine kürzere Vollzeit und eine moderne Arbeitszeitgestaltung, die sich an den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer orientiert, ist daher richtig und wichtig“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl.

Das Klischee, dass vor allem jüngere Menschen nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen, ist dabei nur die halbe Wahrheit: Der Wunsch nach weniger Wochenarbeitszeit und nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist altersunabhängig und in allen Altersgruppen ähnlich stark. Es stimmt zwar, dass die zwischen 1980 und 1994 geborenen ‚Millenials‘ den größten Wunsch nach einer kürzeren die Arbeitszeit haben. Sie wollen eine durchschnittlich um 3,3 Stunden pro Woche kürzere Arbeitszeit. Die noch jüngeren Beschäftigten im Alter zwischen 15 und 28 Jahren (‚Generation Z‘) wollen um 2,8 Wochenstunden weniger arbeiten, die Älteren (‚Baby Boomer‘) um 2,5 Stunden.

Der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten ist in allen Altersgruppen stark.
Quelle: Arbeitsklimaindex der AK Oberösterreich

Männer wollen ihre Arbeitszeit um 3,2 Wochenstunden reduzieren, Frauen um 2,3 Stunden. Vollzeitkräfte wollen durchschnittlich um 3,7 Stunden pro Woche kürzer arbeiten als sie es derzeit tun. Fast ein Drittel der Teilzeitkräfte wollen ihre tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit erhöhen. „Hier schlummert enormes Potenzial, die Arbeit besser und fairer umzuverteilen“, betont AK-Präsident Stangl.

Überstunden

Wer viel und lange arbeitet, hat neben seinem Berufsleben wenig Zeit für Familie und Freizeit. Für ein Viertel der Beschäftigten lassen sich Beruf und Privatleben kaum bis gar nicht vereinbaren.

Tatsächlich müssen nämlich drei Viertel der Beschäftigten Überstunden leisten, davon wiederum 22 Prozent häufig und 52 Prozent gelegentlich. Männer und jüngere Arbeitnehmer:innen leisten am häufigsten Überstunden. Die Beschäftigten in der Baubranche sind am stärksten betroffen, aber auch im Verkehr und Nachrichtenwesen, in der öffentlichen Verwaltung und Sozialversicherung sowie im Tourismus stehen häufige Überstunden, Mehrarbeitsstunden sowie lange Arbeitstage mit 10 oder mehr Stunden auf der Tagesordnung.

Darunter leidet nicht nur die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, ganz besonders bei den Frauen, lässt stark zu wünschen übrig. Das hat schließlich einen negativen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit: Wer Beruf und Privatleben sehr gut unter einen Hut bringt, hat im Durchschnitt einen Arbeitsklima-Indexwert von 117 Punkten. Jene, die Arbeit und Freizeit ganz schlecht vereinbaren können, weisen nur 58 Punkte auf.

Je besser die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, umso zufriedener sind die Beschäftigten mit ihrem Job.
Quelle: Arbeitsklimaindex der AK Oberösterreich

Arbeitszeit verkürzen

Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache, betont AK-Präsident Stangl: „Darum ist es höchste Zeit, die Arbeitszeit in Österreich zu verkürzen!“ Er fordert eine moderne Arbeitszeitgestaltung, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, sowie den Ausbau der Rechtsansprüche auf veränderte oder verkürzte Arbeitszeiten und ein Recht auf Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit.

„Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache, darum ist es höchste Zeit, die Arbeitszeit in Österreich zu verkürzen!“

Andreas Stangl, AK OÖ Präsident

Ebenso müssen die 2018 beschlossenen Verschlechterungen der Türkis-Blauen Regierung im Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz vollständig zurückgenommen werden, fordert die AK. Damals wurde die höchstzulässige Arbeitszeit von 10 auf 12 Stunden pro Tag beziehungsweise von 50 auf 60 Stunden pro Woche verlängert.

Forderungen der GPA

Auch die Gewerkschaft GPA macht sich seit Jahren für eine Reduzierung der Arbeitszeit stark: Neben der Forderung nach einer generellen Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden tritt die GPA die 6. Urlaubswoche für alle und für das Zukunftsmodell der 4-Tage-Woche (mit Arbeitszeitverkürzung) ein.

In Kollektivverträgen ist hier auch schon einiges gelungen, u.a. im KV für die Elektro- und Elektronikindustrie, im Handel und v.a. in den Gesundheitsberufen. So konnte für den privaten Pflege- und Gesundheitsbereich die Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte auf 37 Stunden reduziert werden. Das ist ein erster Schritt, denn: „Für diese Branche braucht es eine weitere Arbeitszeitverkürzung“, sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Nur wenn bestimmte Branchen attraktiver werden, können wieder mehr Menschen für diese Berufe gewonnen werden.

Quer durch alle Branchen arbeitet bis zu einem Drittel der Beschäftigten zwölf Stunden und mehr am Tag, das hat die GPA auch in ihren Umfragen herausgefunden. „Wir fordern die Rücknahme oder zumindest grundlegende Korrekturen des Arbeitszeitverlängerungsgesetzes von Türkis-Blau“, betont Teiber. In Zeiten einer starken Arbeitskräftenachfrage sind Unternehmen außerdem gut beraten, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, so Teiber weiter: „Viel Betriebe und Branchen klagen, keine gut ausgebildeten Mitarbeiter:innen zu finden. Wer gute Arbeitskräfte sucht, muss auch gute Rahmenbedingungen bieten – und dazu gehören eben ganz besonders kürzere Arbeitszeiten!“

Arbeitsklima-Index

Der Österreichische Arbeitsklima-Index analysiert die Trends und Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Arbeiterkammer Oberösterreich fragt regelmäßig nach, was die Beschäftigten belastet, was sie sich erwarten, wie es ihnen in der Arbeit geht und wie sich die Arbeitswelt verändert hat.

Denn in wirtschafts- und sozialpolitischen Diskussionen wird die Sicht der Beschäftigten viel zu wenig berücksichtigt. Der Arbeitsklima-Index liefert die Daten dazu und ist ein Maßstab für den wirtschaftlichen und sozialen Wandel aus der Sicht der Arbeitnehmer:innen.

Der Arbeitsklima-Index beruht auf Befragungen von Stichproben unselbständig erwerbstätiger Personen in ganz Österreich. Zur Erhebung der Daten werden im Auftrag der AK vierteljährlich jeweils 900 Arbeitnehmer:innen von IFES und SORA in ganz Österreich befragt.

Zum Weiterlesen:

Scroll to top