Lehren aus der Corona-Krise

GPA-djp-vorsitzende Barbara Teiber informiert im Rahmen einer Pressekonferenz über die Ergebnisse einer IFES-Befragung.
Foto: GPA-djp-Öffentlichkeitsarbeit, Edgar Ketzer

Auch wenn die Covid-Infektionszahlen seit Wochen zurückgehen, sind die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie dramatisch. Um eine klare Sicht darauf zu erhalten, welche Sorgen und Ängste die Österreicherinnen und Österreicher aktuell beschäftigen, hat die GPA-djp das Meinungsforschungsinstitut IFES beauftragt, dazu eine Befragung durchzuführen.

Die aktuelle IFES-Umfrage zeigt eine hohe Zustimmung zu den Forderungen nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes, einer Arbeitszeitverkürzung und einer Millionärssteuer sowie eine hohe Zustimmung zu einem starken Staat, einer gelebten Sozialpartnerschaft und starken Gewerkschaften. Wir liegen richtig!

Größte Sorgen:  steigende Arbeitslosigkeit und tiefgreifende Wirtschaftskrise

Als größte Sorgen bewegen die Österreicherinnen und Österreicher aktuell die steigende Arbeitslosigkeit mit 76 Prozent, die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich mit 76 Prozent sowie eine tiefgreifende Wirtschaftskrise mit 75 Prozent.

Bereits im Jänner 2020 befragte IFES die Bevölkerung zu möglichen Zukunftsentwicklungen und damit verbundenen Sorgen.  Am auffälligsten im Zeitvergleich ist, dass die Sorge über die steigende Arbeitslosigkeit von 61 Prozent auf 76 Prozent angestiegen ist, ebenso wie die Sorge um eine tiefgreifende Wirtschaftskrise von 56 auf 75 Prozent. Die im Jänner geäußerte Sorge nach einer Klimakrise wurde von Platz 1 auf Platz 4 verdrängt (79 auf 72 Prozent). Weiter auf Platz 2 rangiert die Sorge um die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich.

Grafik: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit

Starker Sozialstaat – wirtschaftlicher Wandel – starke Gewerkschaften

89 Prozent der Gesamtbevölkerung meinen, dass man nur mit einem starken Sozialstaat die Krise gut überstehen kann. Einen wirtschaftlichen Wandel für eine gerechtere Gesellschaft wünschen sich 80 Prozent. 81 Prozent meinen, dass Menschen, die im Handel oder Gesundheitswesen arbeiten, mehr Geld verdienen sollen. 76 Prozent der Gesamtbevölkerung wünschen sich starke Gewerkschaften, damit in einer Krise auf die Interessen der ArbeitnehmerInnen ausreichend Bedacht genommen wird.

Hohe Zustimmung zu gewerkschaftlichen Forderungen

57 Prozent der Gesamtbevölkerung und 59 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen unterstützen die Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes von derzeit 55 Prozent des letzten Netto-Monatsbezugs auf 70 Prozent.

57 Prozent der Gesamtbevölkerung und 66 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen unterstützen die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Besonders augenfällig ist, dass die Beschäftigten, die gerade Erfahrungen mit der Kurzarbeit machen, mit 73 Prozent diese Forderung besonders stark unterstützen.

Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen werden abgelehnt

Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen, die von manchen in der Öffentlichkeit genannt wurden, lehnt eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung klar ab. Das betrifft das Aussetzen der Sonderzahlungen (13. und 14. Gehalt), die Sonntagsöffnung als auch Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate.

Krisenkosten: Steigende Zustimmung zur Millionärssteuer

86 Prozent der Gesamtbevölkerung sind für eine Digitalsteuer für Unternehmen wie Amazon. Auch die Forderung nach einer Erbschafts- und Vermögenssteuer ab 1 Million Euro hält eine klare Mehrheit von 73 Prozent für sinnvoll. Dieser Wert ist seit der Jänner-Befragung um 9 Prozent (Vermögenssteuer) und 7 Prozent (Erbschaftsteuer) gestiegen.

Ökosteuern werden von 50 Prozent begrüßt. Klar abgelehnt werden mit 77 Prozent niedrigere Pensionserhöhungen und mit 86 Prozent eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen halten 88 Prozent für einen gute bzw. eher gute Idee, während Steuersenkungen auf Konzerngewinne von 69 Prozent abgelehnt werden.

Lehren aus der Krise – was ist jetzt notwendig?

Die Ergebnisse der IFES-Befragung zeigen sehr deutlich, dass die große Mehrheit der Bevölkerung gerade angesichts der Corona-Krise einen starken Sozialstaat, eine gelebte Sozialpartnerschaft und starke Gewerkschaften befürwortet. Es zeigt sich auch, dass angesichts der größten Sorgen der Bevölkerung die Bundesregierung aufgefordert ist, gewerkschaftliche Forderungen, wie die Erhöhung des Arbeitslosengeldes oder die Einführung einer Millionärssteuer rasch umzusetzen.

Die österreichische Bundesregierung hat hohe Milliardenbeträge in Aussicht gestellt, um die Folgen der Krise zu mindern. Leider gilt die Ankündigungen „koste es was es wolle“ und „keiner wird zurückgelassen“ aber offensichtlich nicht für alle Bevölkerungsgruppen, insbesondere nicht für die von der Corona-Krise mit am härtesten getroffenen Menschen – Arbeitslosen und die so genannten „Corona HeldInnen“.

Es braucht jetzt entschiedenes Handeln, um die Wirtschaft im Interesse der Bevölkerung wieder in Gang zu bringen und zehntausenden Menschen die ihre Arbeit verloren haben und Jugendlichen die auf den Arbeitsmarkt drängen, eine Perspektive zu geben.

Arbeitslosengeld erhöhen! Mehr Geld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen!

Trotz über einer Million Menschen in Kurzarbeit, stieg die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau. Zum Höhepunkt der Krise haben 225.000 Menschen ihre Arbeit verloren. Noch immer sind ca. 150.000 mehr Menschen arbeitslos als im Vorjahr. Für diese von der Krise Hauptbetroffenen wird zu wenig getan, es braucht rasch Unterstützung.

Das Arbeitslosengeld ist in Österreich niedrig und macht nur etwas mehr als die Hälfte des Letzteinkommens aus. Damit können viele Menschen nicht einmal ihre Fixkosten decken.

Letzte Woche hat die Regierung lediglich eine Einmalzahlung an Arbeitslose in der Höhe von 450 Euro angekündigt. Angesichts der sozialen Katastrophe, die Arbeitslosigkeit für die Betroffenen bedeutet, nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Bei einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.000 Euro verliert man durch die Arbeitslosigkeit rund 9.377 Euro im Jahr. Die Einmalzahlung von 450 Euro deckt nicht einmal 5 Prozent dieser Lücke! Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent würde den Betroffenen in diesem Beispiel hingegen im Jahr über 3.000 Euro bringen!

Daher fordern wir weiter eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Die Umsetzung dieser Forderung hilft nicht nur jeder und jedem Einzelnen, sondern würde die Inlandsnachfrage extrem steigern, wäre also konjunkturpolitisch zu begrüßen.

Was bei allerlei medialen Ankündigungen diverser Hilfspakete komplett fehlt sind rasche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die sofort greifen.

Wir fordern:

  1. Mindestens 5.000 zusätzliche Lehrstellen in staatlichen und staatsnahen Bereichen (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen, Betrieben mit Staatsbeteiligung)
  2. Erhöhung der Finanzmittel für die überbetriebliche Lehrausbildung und Aufstockung der überbetrieblichen Lehrstellen
  3. Aufstockung der Studienplätze im Bereich Informatik, um künftig ausreichend ausgebildete Fachkräfte in diesem Bereich zu haben
  4. Eine Arbeitsmarktmilliarde für ausreichende Qualifizierungsmaßnahmen, Auf- und Umschulungen
  5. Für Menschen mit schlechteren Arbeitsmarktchancen muss es geförderte Beschäftigung geben – Wiedereinführung der Aktion 20000 bzw. Chance 45 öffentlich finanzierte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose ab 45.

Arbeitszeitverkürzungsprämie für Zusatz-Beschäftigung

Da zu befürchten ist, dass die Arbeitslosigkeit – insbesondere, wenn der aktiven Arbeitsmarktpolitik weiterhin keine Priorität eingeräumt wird – nachhaltig hoch bleiben wird, muss das bestehende Arbeitsvolumen auf mehr Menschen aufgeteilt werden. Arbeitszeitverkürzung ist ein Gebot der Stunde. Es braucht jetzt attraktive Modelle, die rasch zu einem Beschäftigungszuwachs führen. Viele Beschäftigte sind bei geringen finanziellen Einbußen dazu bereit ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Mit dem von uns vorgeschlagenen Modell kann der Wunsch vieler nach Arbeitszeitverkürzung in zusätzliche Beschäftigung umgewandelt werden.

Konkret soll das bestehende Solidaritätsprämienmodell (§13 AVRAG, §37a AMSG) adaptiert und besser finanziell dotiert werden.

Dieses beruht derzeit auf folgenden Eckpunkten:

–         Arbeitszeitreduktion mit halbem Lohnausgleich und Einstellung von zuvor arbeitslosen Ersatzarbeitskräften

–         Regelung in Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung UND individuelle Vereinbarung – Freiwilligkeit! Es kann niemand gegen seinen/ihren Willen zu kürzeren Arbeitszeiten gezwungen werden.   

–         Sozialversicherungsbeiträge werden in Höhe der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit (Wie bei Kurzarbeit und Altersteilzeit) entrichtet. 

–         Förderdauer 2 Jahre

Wir schlagen ein adaptiertes Modell mit einer Reduktion der Arbeitszeit von 20 Prozent der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Arbeitszeit und einer Verlängerung der Förderdauer auf zumindest 4 Jahre vor. Im Ausmaß der Arbeitszeitreduktion müssen Arbeitskräfte neu aufgenommen werden.  ArbeitgeberInnen gewähren einen Lohnausgleich und erhalten eine Förderung vom AMS. 

Das Modell soll offen sein für alle Betriebe, nicht nur für die, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind.  Ein Modell, bei dem man 80 Prozent arbeitet und 90 Prozent Entgelt bekommt, wäre für viele ArbeitnehmerInnen so attraktiv, dass viele Beschäftigte für eine freiwillige Arbeitszeitreduktion zu gewinnen wären.  Es würde etwa auch eine 4 Tagewoche (4 mal 8 Stunden) möglich machen. Wenn 4 Personen ihre Arbeitszeit um 8 Stunden in der Woche reduzieren, kann eine fünfte Person, die die fehlenden Arbeitsstunden dann erbringt, eingestellt werden.

Keine Profitorientierung im Sozial- und Gesundheitsbereich

Einer der Wünsche der Bevölkerung ist, ein starkes Gesundheitssystem zu sichern und eine Aufwertung der Pflegeberufe. Wir fordern, dass Gesundheits-, Pflege- und Sozialeinrichtungen, die öffentliche Förderungen erhalten, nach dem Prinzip der Gemeinnützigkeit zu führen sind. Profitorientierung hat in diesem Bereich nichts zu suchen.

Die vielfach angekündigte Ausbildungs- und Joboffensive im Pflegebereich, um dem jetzt schon bestehenden Personalmangel Herr zu werden, wäre jetzt in Angriff zu nehmen.

Mehr Steuergerechtigkeit schafft Nachfrage

Mehr Steuergerechtigkeit und eine Steuerpolitik, die untere Einkommen entlastet, ist nicht nur eine wichtige soziale Frage, sondern auch ein wichtiger Faktor zur Ankurbelung der Inlandsnachfrage.

Die geplante Senkung des Eingangssteuersatzes sowie die Anhebung der Negativsteuer um 100 Euro reichen aus unserer Sicht nicht aus.  Während die maximale jährliche Entlastung durch die Steuersenkung bei 350 Euro liegt, bekommen NiedrigverdienerInnen höchstens 100 Euro mehr. Wir fordern, dass die Negativsteuer so gestaltet wird, dass alle ArbeitnehmerInnen mindestens 350 Euro netto im Jahr mehr erhalten.

Der Kinderbonus von 360 Euro pro Kind kommt auch NiedrigverdienerInnen mit Kindern zu Gute. Zu hinterfragen ist allerdings, weshalb diese Förderung nach dem „Gießkannenprinzip“ unbegrenzt auch an SpitzenverdienerInnen ausbezahlt werden soll. Warum soll bspw. ein Konzern-Manager mit einem Monatseinkommen von 50.000 Euro und drei Kindern 1.080 Euro zusätzlich bekommen? Sinnvoller und sozial treffsicherer wäre es, dieses Geld für Maßnahmen zur Stärkung der unteren EinkommensbezieherInnen zu verwenden.

Krisenkosten gerecht verteilen

Es muss schon jetzt dafür Sorge getragen werden, dass die Rückzahlung der nun aufgenommenen Schulden sozial gerecht erfolgt. Deshalb es Zeit für eine Steuer-Strukturreform, in der Vermögen stärker belastet, Profite aus Online-Geschäften stärker besteuert werden und eine Ökologisierung des Steuersystems vorangetrieben wird. Keinesfalls darf es zu einer Senkung der Körperschaftssteuer oder der Aktien-KESt (Kursgewinnbesteuerung) kommen. Wie die IFES-Befragung bestätigt, sieht das auch die Mehrheit der Bevölkerung so und wünscht sich auch, dass Millionäre einen größeren Beitrag zur Bewältigung der Krisenkosten leisten.

Das GPA-djp Vermögensteuer-Modell sieht einen Freibetrag von einer Million Euro pro Haushalt vor sowie progressive Steuersätze von 0,5 Prozent zwischen 1 und 2 Millionen und 1 Prozent zwischen 2 und 3 Mio. und 1,5 Prozent für Vermögen über 3 Millionen Euro. Dieses Modell würde jährliche Mehreinnahmen von 4,5 Milliarden bringen, angewandt auf Millionenerbschaften zusätzliche 500 Millionen Euro

Konjunkturankurbelung als gesamteuropäische Herausforderung

Österreich ist eine offene Volkswirtschaft, daher muss Österreich auch aus Eigennutz ein besonderes Interesse daran haben, dass die Corona-Krise in ganz Europa und gerade in unseren Nachbarländern, wie Italien, rasch gemeinsam bewältigt wird.

Daher braucht es gesamteuropäische Konzepte zu Bewältigung der Krise und keine nationalen Alleingänge und Egoismen. Die getroffenen Maßnahmen werden nur dann nachhaltigen Erfolg haben, wenn aus der Gesundheits- und Wirtschaftskrise keine Finanz- und Eurokrise wird. Deshalb sind Stabilisierungs-, Finanzierungs- und Investitionsmaßnahmen auf EU-Ebene dringend notwendig.

Ein aktueller Vorschlag der EU-Kommission sieht Zuschüsse an alle Mitgliedstaaten von bis zu 500 Milliarden Euro vor, finanziert durch die Ausgabe ewiger europäischer Anleihen. Die Zinskosten würden aus dem EU-Budget – idealerweise aus neuen europäischen Einnahmen (etwa EU-Digitalsteuer, EU-Körperschaftsteuer, Finanztransaktionssteuer etc.) – bezahlt werden. Dieser Vorschlag hätte den Vorteil, dass alle Mitgliedstaaten von den substanziellen Hilfen profitieren ohne dass ihre Staatsschulden dadurch steigen würden. Während sich die deutsche Bundeskanzlerin gesprächsbereit zeigt, stehen zumindest die Finanzminister von Holland und Österreich auf der Bremse. Wie auch immer eine Einigung letztlich aussieht – wichtig ist, dass sich die österreichische Bundesregierung nicht gegen solidarische Finanzierungsmöglichkeiten sperrt.

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