„Die Lehre muss aufgewertet werden!“

Foto: privat

Als Vorsitzender des Jugendvertrauensrates vertritt Mohab Finjan zusammen mit seinem JVR-Team die Lehrlinge der Bank Austria. Wichtige Anliegen sind ihm das Ansehen der Lehrausbildung und die Lehre mit Matura.

„Eine Lehre ist eine vollwertige Berufsausbildung. Lehrlinge leisten nicht weniger als Schüler, finden aber nicht die gleiche Anerkennung“, findet Mohab Finjan (19), fertig gelernter Bankkaufmann in der Bank Austria. Rund 80 Lehrlinge werden in der Bank Austria derzeit ausgebildet. Finjan vertritt ihre Anliegen als Vorsitzender des Jugendvertrauensrates. Er selbst hat vor knapp einem Jahr seine Lehre erfolgreich abgeschlossen und arbeitet in einer Filiale in Wien. Bereits 2018 wurde er in den Jugendvertrauensrat gewählt, seit Frühjahr 2021 hat er den Vorsitz inne.

Neues Team im JVR

Als er den Vorsitz übernahm, erzählt Finjan, konnte er ein ganz neues Team auf die Beine stellen – und das in seinem dritten Lehrjahr, kurz vor der Lehrabschlussprüfung. „Das war dann schon zeitweise ein bisschen stressig“, erinnert er sich. Das JVR-Team ist ausgewogen, darauf legt er großen Wert: jeweils vier junge Frauen und Männer, und Lehrlinge aus den Bundesländern sind natürlich auch mit dabei. Mit ihm selbst sind sie insgesamt acht JugendvertrauensrätInnen, vier ordentliche und vier Ersatzmitglieder.

„Jedes Anliegen soll gehört werden, alle sollen sich vertreten fühlen, das ist mir einfach wichtig“, betont er. Außerdem hat er darauf geachtet, dass jede/r im JVR-Team zwei Einsatzperioden mitmachen kann, damit die Zusammenarbeit gut klappt. Einmal im Monat findet eine Teamsitzung statt, egal unter welchen Umständen. Während Corona lief das via Skype, jetzt treffen sich alle wieder am Campus der Bank Austria am Rothschildplatz, und die Bundesländer werden elektronisch dazugeschaltet.

Finjan hat seine Lehre mit 15 begonnen. Als Klassensprecher war er gewohnt, den Mund aufzumachen, wenn etwas nicht rund lief. Mit dem alten JVR-Vorsitzenden hatte er sich gut verstanden, der holte ihn dann auch ins Team. „Als Jugendvertrauensrat hast du ein offenes Ohr für alle Sorgen und Probleme der Lehrlinge und jungen KollegInnen. Mir persönlich ist es wichtig, dass die Lehrausbildung als solche aufgewertet wird. Wir sind die Fachkräfte von morgen“, umreißt Finjan seine Rolle als Jugendvertrauensrat.

Lehre mit Matura

In der Bank Austria, hebt er hervor, funktioniert das Zusammenspiel zwischen Personalabteilung, Betriebsrat und Jugendvertrauensrat hervorragend. Es gibt einen wöchentlichen Austausch, und das Unternehmen nimmt die Betreuung der Lehrlinge sehr ernst. „Das ist Gold wert in einem Betrieb“, betont Finjan.

„Jedes Anliegen soll gehört werden, alle sollen sich vertreten fühlen, das ist mir einfach wichtig“

Mohab Finjan

Ein Beispiel dafür, welche Türen so eine gute Zusammenarbeit öffnen kann, ist die Lehre mit Matura. Ein Thema, für das sich die GPA derzeit bundesweit stark macht. „Bei uns ist es schon seit mehreren Jahren möglich, sich die Lernzeit in der Maturaschule als Arbeitszeit anrechnen zu lassen“, erzählt Finjan. Wer also abends z.B. drei Stunden in der Maturaschule Kurse besucht, bekommt diese Stunden gutgeschrieben. Die Lehre mit Matura wird von den Lehrlingen im Unternehmen gut angenommen: Rund 40 Prozent lernen für den zusätzlichen Abschluss. Für viele ist es auch ein gutes Argument, ihre Lehre bei der Bank Austria zu beginnen. Diese Qualifikation, findet Finjan, „ist eine enorme Aufwertung der Ausbildung bei uns in der Bank. Ich würde mir wünschen, dass mehr Betriebe ein solches Angebot schaffen!“

Zwei Jahre Pandemie

Während des ersten Corona-Jahrs war Finjan selbst noch Berufsschüler. „Es war extrem anstrengend“, erinnert er sich, „die Lernzeit in der Berufsschule für die Lehrabschlussprüfung hat gefehlt, daher war es um einiges schwieriger, sich auf die Prüfung vorzubereiten. Distance Learning ist da einfach nicht das gleiche.“ Auch in der Bank haben keine Seminare oder Kurse stattgefunden. „Das war ein wichtiger Lernaspekt, der plötzlich gefehlt hat. Dazu kommt, dass man sich sehr viel selbst beibringen musste, es gab ja keine Treffen oder Vernetzung.“

Auch die Krankenstände und die Quarantäne machten den Lehrlingen zu schaffen: Da die Banken geöffnet blieben, musste oft Eingesprungen und Ausgeholfen werden, denn die Kundenfrequenz blieb hoch.

Aktuell arbeitet die Bank Austria daran, dass sich nach den langen Pandemie-Monaten endlich alle Lehrlinge in der Bank untereinander kennenlernen. Der Austausch, auch jahrgangsübergreifend, sollte eigentlich selbstverständlich sein, doch in den letzten beiden Jahren kam das viel zu kurz. Das große Projekt für diesen Sommer: eine Woche Ende August für alle Lehrlinge in der Bank Austria-Academy am Kaiserwasser in Wien zu organisieren. „Für alle Lehrlinge aus ganz Österreich natürlich!“, erzählt Finjan. „Damit wir uns endlich mal zu allen wichtigen Themen untereinander austauschen können.“ Der JVR hat durch die tolle Zusammenarbeit mit der Firmenleitung die Möglichkeit, einen Tag dieser Woche als Sporttag für alle anwesenden Lehrlinge zu gestalten. Dazu gehören gemeinsame Freizeit, Wassersport am Kaiserwasser und nach einer Ehrung der diesjährigen positiven Absolventen der Lehrabschlussprüfung ein Grillfest zum Abschluss. „Das ist einfach eine tolle Möglichkeit, die den Lehrlingen und dem JVR geboten wird“, freut sich Finjan.

Ansehen der Lehre

Als Vorsitzender des Jugendvertrauensrates ist er schon delegiert im Betriebsrat, wenn auch noch nicht stimmberechtigt. Betriebsrat, wäre das ein Wunsch für später? „Natürlich würde mich das interessieren. Noch liegen aber vier Jahre als Jugendvertrauensrat vor mir, und da habe ich noch viele Pläne!“

Ein zentrales Anliegen ist ihm der Stellenwert der Lehre, dafür möchte er sich in den nächsten Jahren stark machen. „Was Lehrlinge leisten, das findet in unserer Gesellschaft zu wenig Ansehen. Da ist noch viel zu tun!“ Generell findet er es sehr wichtig, dass junge Menschen eine gute Interessenvertretung haben, auch SchülerInnen und StudentInnen. „Wir sind die FacharbeiterInnen und Führungskräfte von morgen, und wir sind das Potential für die Wirtschaft.“

Daher ist Finjan auch in der GPA aktiv. Dazu gehört zuallererst, die Anliegen der Gewerkschaft unter die Leute zu bringen. Was genau macht die Gewerkschaft, wofür handeln und kämpfen wir gemeinsam? Drei der vier JugendvertrauensrätInnen in seinem Team sind im Vorstand der GPA Jugend Wien aktiv, und außerdem auch im Vorstand der FSG Jugend. Im Betrieb organisieren Finjan und sein Team Jugendversammlungen, um gewerkschaftliche Themen den Lehrlingen näher zu bringen – und natürlich auch, um neue Mitglieder zu werben: „Darin liegt unsere Verhandlungsmacht als ArbeitnehmerInnenvertretung! Ich schätze mal, acht von zehn Lehrlingen bei uns sind Gewerkschaftsmitglieder“, berichtet Finjan stolz.

Zur Person:
Neben einem arbeitsintensiven Vollzeitjob, seiner Tätigkeit als Jugendvertrauensrat und seinem Engagement in der Gewerkschaft bleibt Mohab Finjan recht wenig Freizeit. Er schätzt jedoch die Zeit nach zwei intensiven Jahren Pandemie und steht den kommenden Jahren optimistisch gegenüber: „Es ist einfach großartig, nicht mehr ständig Abhängigkeit zu verspüren und in den vier Wänden sitzen zu müssen, eigene Entscheidungen zu treffen und sich als Person selber in der Gesellschaft zu etablieren. Jedoch bleibt das schönste momentan, draußen sein zu können und meine Liebsten zu treffen, das ist meine größte Motivation!“

Wozu JugendvertrauensrätInnen?

Für Lehrlinge und jugendliche ArbeitnehmerInnen sind JugendvertrauensrätInnen die ersten AnsprechpartnerInnen für alle Fragen rund um die Themen Arbeiten und Ausbildung.
So wie BetriebsrätInnen die Interessen aller ArbeitnehmerInnen des Betriebes vertreten, sind JugendvertrauensrätInnen speziell für die Anliegen der Lehrlinge und der jugendlichen ArbeitnehmerInnen da. Sie kümmern sich darum, dass du gehört wirst und sind deine betriebliche Interessenvertretung mit Biss.

Wichtig: Jugendliche ArbeitnehmerInnen und Lehrlinge dürfen auch während ihrer Arbeitsszeit mit Problemen und Anregungen zum/zur JugendvertrauensrätIn gehen.

JugendvertrauensrätInnen sind meist selbst mitten in der Ausbildung oder haben diese gerade erst abgeschlossen. Genau darum Wissen sie auch wo der Schuh drückt und können deine Interessen bestens vertreten.

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