T-Systems startet 3-monatigen Versuch einer Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohn. Management und Betriebsrat erhoffen sich bessere Work-Life-Balance für Belegschaft, weniger Fluktuation und gesteigerte Attraktivität für jobsuchende Fachkräfte. Evaluierung soll weiteren Weg weisen.
Der IT-Dienstleister T-Systems im dritten Wiener Gemeindebezirk stellt mit Jänner in einem Pilotprojekt 46 MitarbeiterInnen auf eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich um. Statt 38,5 Stunden beträgt die Soll-Arbeitszeit für die ausgewählten Vollzeit- bzw. Teilzeitkräfte in den kommenden drei Monate 36 Stunden, diese wird an vier statt bislang fünf Tagen geleistet.
Die Idee zum Projekt hatte der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates, Andreas Haunold, aufgrund von Medienberichten über ähnliche Bestrebungen bei den Wiener Linien. Zur selben Zeit reifte der Gedanke auch bei der Geschäftsleitung der T-Systems, insbesondere bei der Leiterin der Personalabteilung, Gertrud Götze. Im Herbst begannen erste Überlegungen zur Umsetzung im Betrieb, bei der Ausarbeitung der Regelung gab es Unterstützung von Erika Schmidt, GPA-Wien Regionalsekretärin für den 3. Bezirk: „Die Viertage-Woche kann ein Erfolgsmodell sein – wenn man den Mut hat, es auszuprobieren.“ Im konkreten Fall zogen Betriebsrat und Geschäftsführung von Beginn an am selben Strang: „Es war ein konstruktives gemeinsames Arbeiten.“
Geht nicht, gibt’s nicht
In zahlreichen Arbeitskreissitzungen wurde vor allem an arbeitsrechtlichen Fragestellungen getüftelt, die Betriebsräte waren an der Erarbeitung der Lösungsvorschläge aktiv beteiligt. Haunold war es wichtig, im Rahmen des Pilotprojektes neben der Verkürzung der Arbeitszeit auch das Gehaltsniveau zu halten: „Anfangs kam von den Führungskräften einiger Widerstand. Sobald wir inhaltlich tiefer in die Materie eingetaucht sind, hat sich die Stimmung rasch gedreht.“ Auch die Vorsitzende des Betriebsrates Martina Neunteufl sieht das Pilotprojekt „überwiegend positiv: Es ist gut, dass wir uns als IT-Unternehmen mit dem Thema auseinandersetzen.“ Zu Beginn des Denkprozesses habe es vielerlei Bedenken gegeben: „Einige KollegInnen waren ungläubig, dass eine 4-Tage Woche in einer Branche mit intensivem Kundenkontakt gut umgesetzt werden kann.“ Unter der Devise „geht nicht, gibt´s nicht“ brachte sich Neunteufl in den Vorbereitungsprozess ein: „Ich bin davon überzeugt, dass es funktionieren kann, schließlich hat die Reduktion einer sechs-Tage Woche auf fünf Arbeitstage vor einigen Jahren auch reibungslos geklappt.“
„Wir wollen durch die flexiblen Arbeitszeiten und das Mehr an Freizeit für unsere MitarbeiterInnen und Arbeitssuchende attraktiver sein.“
Personalchefin Gertrud Götze
Die Chefin der Personalabteilung Gertrud Götze brachte den Anspruch ein, das Unternehmen „mit dem neuen Arbeitszeitmodell am Markt attraktiver zu machen: Alle kämpfen um Ressourcen, wenn MitarbeiterInnen überlegen, das Unternehmen zu verlassen oder neu ins Team kommen, sind flexibel gestaltbare Arbeitszeiten sehr häufig der ausschlaggebende Faktor für ihre Entscheidungen.“ Auch Gewerkschafterin Schmidt ist überzeugt, dass das Unternehmen durch eine „Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wesentlich attraktiver für arbeitssuchende Fachkräfte wird.“
3-monatige Testphase
Mit jenem Modell, das ab 9. Jänner praktiziert wird, sind sowohl Projektleiterin Sybille Berzobohaty als auch Belegschaftsvertreter Haunold zufrieden: „46 unserer insgesamt 690 MitarbeiterInnen in ausgewählten Teams können drei Monate lang ausprobieren, wie sie mit der Viertage-Woche zurechtkommen. Gehaltseinbußen gibt es nicht.“
In der Pilotphase werden zwei Modelle der Arbeitszeitverteilung getestet: Im ersten Modell teilen sich die Teams die Woche in vier fixe Arbeitstage auf, ein Team arbeitet immer von Montag bis Donnerstag, das andere Team immer von Dienstag bis Freitag. Im zweiten Modell wechseln die Arbeits-Wochentage periodisch, was bedeutet, dass die mitmachenden KollegInnen alle zwei Wochen ganze vier Tage am Stück frei haben.
„Wir hoffen, dass unsere MitarbeiterInnen durch die Viertage-Woche eine bessere Balance zwischen Arbeit und Freizeit finden.“
Projektleiterin Sybille Berzobohaty
Berzobohaty war es wichtig, dass es durch die neue Verteilung der Arbeitszeit zu keinen Einkommensverlusten kommt: „Es ist nicht unser primäres Ziel Einsparungen zu lukrieren, wir wollen etwas tun, um am Arbeitsmarkt interessant zu bleiben und für neue Bewerber attraktiv zu sein.“ Gesundheit und Work-Life-Balance seien dabei zentrale Faktoren. Dabei gehe es auch um „bestehende MitarbeiterInnen, die gerne mehr Freizeit zur Verfügung hätten: Sie sollen die Möglichkeit bekommen, einen besseren Ausgleich zwischen beruflichen und privaten Verpflichtungen zu finden, was wiederum die Arbeitszufriedenheit erhöhen könnte.“ Auch die Krankenstände könnten reduziert werden. Personalchefin Götze hofft auf einen positiven Effekt: „Ich denke, dass mehr Freizeit am Stück der Gesundheit förderlich ist.“
Mehr Erholung, weniger Stress
Betriebsrats-Vorsitzende Neunteufl ist „fest davon überzeugt, dass der zusätzliche arbeitsfreie Tag tatsächlich ein Mehr an Erholung bringt: In dieser Zeit können die KollegInnen Dinge erledigen und haben dann noch zwei volle Tage zur Regeneration übrig. So bleiben sie fitter für die verbleibenden vier Arbeitstage.“
„Weniger Stress wirkt sich positiv auf den Körper aus – möglicherweise reduzieren sich so auch die Krankenstände.“
GPA-Wien Regionalsekretärin Erika Schmidt
Regionalsekretärin Schmidt erwartet durchwegs positive Effekte für die Belegschaft: „Ich denke, dass viele KollegInnen weniger gestresst sein werden, weil sie mehr Freizeit für Hobbies und die Familie haben.“ Erfahrungen anderer Betriebe hätten gezeigt, dass „die Produktivität gleichbleibt oder sogar noch steigt: Die Leute sind motivierter und haben mehr Energie für die Arbeit.“
Evaluierung durch wöchentliche Befragung
Als begleitende Evaluierungsmaßnahme wird es einen wöchentlichen Fragebogen geben, in dem die Betroffenen berichten können, wie es ihnen mit der Neuregelung geht und ob ihnen tatsächlich mehr Zeit für Familie und Freizeit bleibt. Nach drei Monaten wird es vertiefende Gespräche mit der Personalabteilung geben. Sind die Daten nach drei Monaten noch nicht aussagekräftig, könnte der Pilotversuch verlängert werden. Gibt es positive Resonanz für die Umstellung, könnte bald die gesamte Belegschaft in den Viertage-Modus umgestellt werden. Schwierig könnte es laut Götze „in jenen Bereichen werden, in denen MitarbeiterInnen bei Kunden vor Ort sein müssen: Hier müssten wir Vereinbarungen mit den Kunden treffen, damit der Arbeitseinsatz auch bezahlbar bleibt.“
„Die Viertage-Woche wird nur funktionieren, wenn eingefahrene Arbeitsmuster verändert werden können. Wir wollen nicht die aktuelle Arbeit in vier Tage hineinquetschen, sondern eine echte Entlastung erreichen.“
Betriebsratsvorsitzende Martina Neunteufl
Betriebsratsvorsitzende Neunteufl hält es für wichtig, dass die mitmachenden KollegInnen „Anregungen bekommen, um ihre Arbeitsweise zu überdenken bzw. eine Anleitung kriegen, wie effizienter gearbeitet werden kann und Zeitfresser beseitigt werden können: Der Sinn der Regelung ist ja nicht, die aktuelle Arbeitszeit in vier Tage hinein zu quetschen, sondern eine echte Entlastung zu erreichen.“ Dazu bräuchte es begleitende und unterstützende Maßnahmen wie Schulungen oder Kurse seitens des Unternehmens aber auch die Übereinkunft, dass wichtige Besprechungen oder Informationsveranstaltungen nicht an Freitagen stattfinden sollen.
Arbeitszeit effizienter nutzen
Der Pilotversuch wird – mit einem kleinen Zusatz – innerhalb der geltenden Gleitzeitregelung abgehalten. T-Systems kann organisatorisch auf breite Erfahrungen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen zurückgreifen – seit vielen Jahren müssen einige Serviceeinheiten rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche besetzt sein. Dennoch ist sich Projektleiterin Berzobohaty bewusst, dass es nach der Umstellung „Tipps braucht, wie der Arbeitsalltag effizienter gestaltet werden kann: Wir wollen hier konkrete Anregungen liefern, wie zum Beispiel: die Anzahl der Meetings reduzieren, den Tag planen und keine doppelten Ablagen anlegen.“ Ob die Arbeit im Rahmen des Pilotprojektes tatsächlich effizienter gestaltet werden kann, werde sich „nach der Testphase herauskristallisieren.“
„Einige KollegInnen sind sich nicht sicher, ob sie ihre Arbeit in 36 Stunden erledigen können.“
Betriebsrat Andreas Haunold
Trotz vieler Vorschusslorbeeren gibt es auch Unsicherheiten. Haunold beschreibt die Reaktionen der Belegschaft als sehr unterschiedlich: „Bei manchen besteht eine gewisse Unsicherheit, ob das aktuelle Arbeitspensum in 36 Stunden zu erledigen sein wird.“ Der Betriebsrat geht zwar davon aus, dass die Regelung „dem Unternehmen Geld kosten wird, dafür aber die Produktivität erhöhen kann und uns für neue MitarbeiterInnen attraktiv macht: Junge Menschen achten verstärkt auf ihre Work-Life-Balance, sie ist ein entscheidender Faktor bei der Jobsuche geworden.“
Für Berzobohaty ist das Projekt jedenfalls „ein guter Versuch und ein erster Schritt, den wir auch entsprechend bewerten müssen: Wir wollen die Dinge zum Positiven verändern. Wenn man nichts probiert, kann man auch keine positiven Veränderungen erreichen.“
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