Immer mehr Betriebe und Branchen klagen, keine gut ausgebildeten Fachkräfte zu finden. Doch wer gute Arbeitskräfte sucht, muss auch gute Rahmenbedingungen bieten! Wie kann man Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen so gestalten, dass alle davon profitieren? Wir zeigen, wie das geht.
Die Wirtschaft sucht händeringend nach Fachkräften, berichten die Medien. Wütende ArbeitgeberInnen drohen, ihren Betrieb zu schließen. „Die Leute liegen in der sozialen Hängematte und beziehen lieber Arbeitslosengeld“, behaupten einige ArbeitgeberInnen. Wir meinen: Die fehlenden Arbeitskräfte sind ein hausgemachtes Problem, für das es Lösungen gibt. Die Menschen wollen arbeiten – aber zu höheren Löhnen und besseren Bedingungen.
Bessere Bezahlung
Regelmäßig erscheinen in den Zeitungen Berichte über Betriebe, die keine MitarbeiterInnen finden können. Meist stellt sich heraus, dass die Bezahlung sehr niedrig ist und die Arbeitszeiten lang. Nach der Pandemie blieben auch viele Arbeitskräfte aus dem Ausland weg, die davor zum Mindestlohn gearbeitet hatten.
„Statt den Samstag mit meinen Kindern zu verbringen, sitze ich an der Supermarktkasse. Für so wenig Gehalt mach’ ich das nicht mehr lange.“
Sonia R., Handelsangestellte
ArbeitgeberInnen, die in Zeiten von Inflation und Teuerung den Beschäftigten keinen fairen Anteil am Unternehmenserfolg zugestehen wollen, riskieren, keine BewerberInnen mehr zu finden. „Meine Arbeit ist monoton und anstrengend“, erzählt Sonia R., die in einer großen Supermarktkette südlich von Wien arbeitet. „Während Corona mussten wir die ganze Zeit Masken tragen, die KundInnen sind oft unhöflich, meine Dienstpläne sind nicht familienfreundlich. Statt den Samstag mit meinen Kindern zu verbringen, sitze ich an der Supermarktkasse. Für so wenig Gehalt mach’ ich das nicht mehr lange.“
Arbeitsbedingungen verbessern
Was, wenn selbst gute Gehälter keine Arbeitskräfte anlocken können? Schlechte Arbeitsbedingungen schrecken in vielen Branchen die Beschäftigten ab: überlange Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden, großer Arbeitsdruck, zu niedriges Kilometergeld im Außendienst – die Liste ist lang! In manchen Bereichen wie in der Sozialwirtschaft ist der Arbeitsdruck so hoch, dass immer mehr Beschäftigte ihren Beruf verlassen. Unter dem Personalmangel leiden dann die verbliebenen Beschäftigten.
Alina G., Elementarpädagogin aus Linz: „Während Corona haben wir den Laden am Laufen gehalten, doch die Arbeitsbedingungen wurden schlechter, nicht besser. Immer mehr KollegInnen geben auf. Ich selbst habe im Herbst Bildungskarenz genommen und ein Psychologiestudium begonnen. Später möchte ich als Kinderpsychologin arbeiten.“
„Immer mehr KollegInnen geben auf. Ich selbst habe im Herbst Bildungskarenz genommen und ein Psychologiestudium begonnen.“
Alina G., Elementarpädagogin
Barbara Teiber: „Bessere Jobs, nicht billige Lösungen“
Viele ArbeitgeberInnen suchen nach billigen Lösungen, wie z.B. Arbeitskräfte aus dem Ausland zu holen. So tauchte im Herbst die Idee auf, Pflegekräfte in Vietnam auszubilden. „Solche Vorschläge lösen das Grundproblem nicht“, kritisiert GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Denn Verbesserungen, nicht nur in dieser Branche, sind längst überfällig: „Kürzere Arbeitszeiten, mehr Personal, ein höheres Kilometergeld, und die BewerberInnen würden sich wieder einfinden“, ist Teiber überzeugt. Der Arbeitsmarkt hat sich nach der Pandemie
wieder erholt, die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskräften ist hoch wie schon lange nicht. „Die ArbeitnehmerInnen in Österreich müssen nicht bei schlechter Bezahlung rund um die Uhr schuften, sie haben das Recht, schlechte Jobs abzulehnen oder in andere Branchen auszuweichen. Wer keine Arbeitskräfte findet, soll daher bessere Jobs anbieten!“, appelliert Teiber an die ArbeitgeberInnen.
Neue Arbeitsformen, bessere Ausbildung
Manche Betriebe haben mittlerweile verstanden, dass sie ihre Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten müssen, wenn sie Arbeitskräfte finden wollen. Besonders junge Beschäftigte legen Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Studien belegen: Die Vier-Tage-Woche lässt die Produktivität steigen, weil die Beschäftigten nach einem langen Wochenende besser erholt und motiviert zur Arbeit kommen. Auch flexible Arbeitszeiten sind stark nachgefragt, besonders bei jungen Eltern. Homeoffice kann, wenn es richtig eingesetzt wird, die MitarbeiterInnen entlasten.
Wer gute Arbeitskräfte sucht, muss sie ausbilden! Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Berufsleben ist die Lehrlingsausbildung. Rund 40 Prozent aller 15-Jährigen in Österreich entscheiden sich für eine duale Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Doch immer weniger Betriebe wollen in Ausbildung investieren, die Zahl der Lehrplätze sinkt.
Deine Gewerkschaft fordert daher: Mehr Lehrstellen, Aufwertung der Lehre, Lehre mit Matura! Große Betriebe müssten über Bedarf ausbilden, kleine und mittlere Unternehmen benötigen Unterstützungsgelder, um Lehrstellen zu schaffen. Um die Lehre attraktiver zu machen, müssen die Lehre mit Matura und das duale Studium breit gefördert werden. Junge Menschen wollen mehr Perspektiven für ihre berufliche Zukunft!
BestPractice: #30sindgenug bei eMagnetix
30 Stunden arbeiten und das bei vollem Gehalt? Genau das bietet die Firma eMagnetix ihren MitarbeiterInnen. Sie hat 2018 als Reaktion auf einen Mangel an BewerberInnen die 30-Stunden-Woche eingeführt – mit vollem Erfolg! „Wir konnten seither von 12 MitarbeiterInnen auf 40 expandieren“, sagt Geschäftsführer Klaus Hochreiter. „Früher hatten wir für eine Junior-Stelle zehn Bewerbungen, jetzt bis zu 100. Für eine Senior-Stelle hatten wir keine Bewerbung, jetzt bis zu 80. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil.“ Mit solchen attraktiven Arbeitsbedingungen kann der Betrieb die MitarbeiterInnen auch halten: „Sie sagen klar: Ich will nie wieder 40 Stunden pro Woche arbeiten. Wir haben daher auch eine sehr niedrige Fluktuation, ein weiterer Vorteil für das Unternehmen.“ Der Gender Pay Gap liegt bei eMagnetix übrigens bei null. Da schlummert in Zeiten von Arbeitskräftenachfrage sehr viel Potenzial!
Best practice: 4-Tage-Woche
Vier Tage arbeiten, drei Tage frei. Funktioniert das in einem Handwerksbetrieb? Die deutsche Firma Ruchti hat’s vorgemacht. Für Firmenchef Bernd Röck stand die Work-Life-Balance seiner MitarbeiterInnen im Vordergrund. Und es mangelte in dem gut 80 Personen zählenden Betrieb oft an Personal. Die Firma beschäftigt u.a. SchreinerInnen, SchlosserInnen, MalerInnen und LackiererInnen.
Das neue Arbeitszeitmodell wurde zum Start offensiv beworben. Die 40 Bewerbungen, die zuvor jährlich eingingen, kamen dann pro Woche. Die MitarbeiterInnen sind seither dank 3-Tage-Wochenende deutlich zufriedener. „Ich würd’s wieder machen!“, sagt Röck. Firmenchefs aus der Region nehmen sich das Modell mittlerweile zum Vorbild.
Best Practice: Lehre mit Matura
Ein großer Verhandlungserfolg der
Gewerkschaft GPA: In der Holzverarbeitenden Industrie und Sägeindustrie erfolgt nun der Unterricht im Rahmen der Lehre mit Matura in der Arbeitszeit. Dies trägt dazu bei, die Lehre attraktiver zu machen.
Bei Umdasch in Amstetten, wo 75 Lehrlinge ausgebildet werden, ist das bereits seit zehn Jahren Realität. Wer sich für die Lehre mit Matura entscheidet, hat an einem Tag in der Woche Unterricht. Das macht das Unternehmen als Ausbildungsbetrieb attraktiver, es bewerben sich mehr Lehrlinge. Anja Gassner macht bei Umdasch/Doka eine Lehre zur Bürokauffrau und absolviert nebenbei die Matura: „Ich fand das Angebot sehr toll, dass man den Unterricht in der Arbeitszeit hat und auch dafür nicht woanders hinfahren muss. Für mich war sofort klar, dass ich das machen werde.“
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