Fachkräftemangel? Selber schuld!

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Immer mehr Betriebe und ganze Branchen klagen, keine gut ausgebildeten MitarbeiterInnen zu finden – die Menschen liegen lieber in der sozialen Hängematte, wird behauptet. Doch wer Fachkräfte sucht, muss auch gute Arbeitsplätze bieten! 5 Gründe, warum der Arbeitskräftemangel ein hausgemachtes Problem ist.

Die Wirtschaft sucht händeringend nach Fachkräften, so berichten die Medien. Zunächst hatten vor allem der Tourismus und die Gastronomie Probleme, nach der Pandemie wieder ausreichend gut qualifizierte MitarbeiterInnen zu finden, inzwischen betrifft der Mangel immer mehr Branchen. „Die Leute wollen nicht anpacken und beziehen lieber Arbeitslosengeld“, sagen viele Arbeitgeber.

Wir meinen: Der Fachkräftemangel ist hausgemacht!

1. Neue Firma, neue Branche

Während der Pandemie haben viele ArbeitgeberInnen ihr wahres Gesicht gezeigt: Kündigungen statt Kurzarbeit, schlechter Gesundheitsschutz, fehlende Unterstützung für jene Beschäftigten, die unter großen zusätzlichen Belastungen arbeiten mussten, wie z.B. im Handel. Die schlechte Behandlung hat sich letztlich als Bumerang erwiesen: Viele ArbeitnehmerInnen haben die Chance ergriffen und die Branche oder den Arbeitgeber gewechselt. Sie nutzten Angebote zu Weiterbildungen oder Umschulungen.

Die Zahl der Menschen, die ihren Job wechseln wollen, stieg in Österreich kontinuierlich an, fand die AK OÖ in einer ihrer Arbeitsklima-Umfragen heraus. Besonders hoch ist der Anteil der Wechsel­willigen unter AkademikerInnen und jungen ArbeitnehmerInnen. Stark gestiegen ist er in den vergangenen beiden Jahren im Verkehr und Nachrichtenwesen, im Unterrichtswesen, im Gesundheits- und Sozialbereich sowie im Handel – und damit in einigen der system­relevanten Berufen, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden. Am höchsten ist der Anteil nach wie vor im Tourismus, wo vier von zehn Beschäftigten an eine berufliche Veränderung denken.

Die Menschen wollen also arbeiten – aber zu höheren Löhnen und besseren Bedingungen!

2. Höhere Löhne und Gehälter

Immer wieder erscheinen in den Medien Berichte über Betriebe, die keine MitarbeiterInnen finden können. Liest man genauer nach, stellt sich meist heraus, dass die Bezahlung sehr niedrig ist. Oft dann noch in Kombination mit langen Arbeitszeiten oder Wochenendarbeit. Sprich: Gesucht wird nach billigen Arbeitskräften, die bereit sind, rund um die Uhr zu schuften.

Auch hier hat die Pandemie einiges verändert: Aufgrund der Grenzschließungen nahmen viele Arbeitskräfte, die aus angrenzenden Ländern nach Österreich zum Arbeiten kamen, Arbeitsplätze in ihrem Heimatland an. Diese KollegInnen aus dem Ausland arbeiteten davor oft zum Mindestlohn. Schwarze Schafe unter den Unternehmen ließen sie auch oft über zusätzliche Ansprüche im Unklaren und bezahlten diese nicht. Diese – billigeren – Fachkräfte aus dem Ausland fehlen nun.

In Österreich lebende Beschäftigte kennen ihre Rechte und sind gewerkschaftlich gut organisiert. Aktuell verhandelt deine Gewerkschaft während der Herbstlohnrunde 2022 die Löhne und Gehälter in der Metallindustrie, im Handel und in der Sozialwirtschaft – das betrifft die Einkommen der mehr als 800.000 Menschen, die in diesen Branchen arbeiten! ArbeitgeberInnen, die gerade in Zeiten von Inflation und Teuerung den ArbeitnehmerInnen keinen fairen Anteil am Unternehmenserfolg geben wollen, riskieren eine Abwanderung von Arbeitskräften in andere, besser bezahlte Branchen.

Denn die Beschäftigten wissen, was ihnen zusteht – und achten außerdem nicht nur auf die Bezahlung, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen!

3. Arbeitsbedingungen verbessern

Die Liste der schlechten Arbeitsbedingungen, die Fachkräfte abschrecken, ist lang:  Überlange oder zerstückelte Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden, zu großer Zeit- bzw. Arbeitsdruck, zu niedriges Kilometergeld im Außendienst, vom Arbeitgeber nicht eingehaltene rechtliche und KV-Bedingungen, u.v.a.m. Fehlendes Personal und Abwanderung in andere Branchen verschlechtern die Arbeitsbedingungen noch zusätzlich für die verbliebenen Beschäftigten.

In einigen Bereichen wie z.B. in der Sozialwirtschaft ist der Arbeitsdruck mittlerweile so hoch, dass immer mehr Beschäftigte ihren Beruf verlassen. In der Elementarpädagogik oder in den Gesundheitsberufen, wo die ArbeitnehmerInnen ohnehin zwei äußerst harte Pandemiejahre hinter sich haben, müssen nun jene KollegInnen, die weiterhin in der Branche arbeiten, die Arbeit der abgewanderten Fachkräfte mit übernehmen – was wiederum dazu führt, dass immer mehr ans Aufhören denken. Bei zahlreichen Problemen in diesen Berufen hat sich außerdem ein Reformstau gebildet, denn bereits vor der Pandemie lag vieles im Argen.

Deine Gewerkschaft kämpft für bessere Arbeitsbedingungen und hat auch schon vieles erreicht: So wurde z.B. im Handel vor einigen Jahren ein völlig neuer Kollektivvertrag aufgesetzt. Für die Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich konnte eine Arbeitszeitverkürzung auf 37 Stunden (bei gleicher Bezahlung) erkämpft werden.

Unser nächstes Ziel ist die 35-Stunden-Woche!

4. Neue Arbeitsformen

In Branchen, in denen es grundsätzlich genügend qualifizierte Arbeitskräfte gibt, wo die Arbeitsbedingungen aber schlecht sind, müssten die Betriebe größere Anstrengungen unternehmen, um attraktiv zu sein. Die Ideen dafür sind bekannt, wir berichten regelmäßig darüber: Arbeitszeitverkürzung, flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder die Vier-Tage-Woche, um nur einige zu nennen. Alle Maßnahmen, die die Work-Life-Balance der Menschen verbessern, machen Betriebe für MitarbeiterInnen attraktiv!

Man weiß z.B. mittlerweile, dass die Vier-Tage-Woche die Produktivität nicht sinken, sondern im Gegenteil steigen lässt, weil sich die Beschäftigten an einem dreitägigen Wochenende besser erholen können und danach motivierter zur Arbeit kommen. Auch flexible oder reduzierte Arbeitszeiten sind stark nachgefragt, besonders bei jungen Eltern, die Job und Kinderbetreuung gut unter einen Hut bringen wollen. Homeoffice kann, wenn es richtig eingesetzt wird, die MitarbeiterInnen entlasten.

Doch was, wenn es trotz aller Versuche, attraktive Arbeitsplätze anzubieten, tatsächlich einen Mangel an gut qualifizierten ArbeitnehmerInnen gibt?

5. Lehrstellen schaffen, in Ausbildung investieren

Wer Fachkräfte sucht, muss sie ausbilden! Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Berufsleben als FacharbeiterIn ist die Lehrlingsausbildung. Die Lehrlinge wurden jedoch während der Pandemie von der Regierung stiefmütterlich behandelt. Berufsschulen unterrichteten im Distance Learning, Betriebe waren in Kurzarbeit.

Rund 40 Prozent aller 15-Jährigen in Österreich entscheiden sich für eine duale Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule. Die Qualität der dualen Berufsausbildung war in Österreich jahrzehntelang eine der Säulen der Wirtschaft. Doch immer weniger Betriebe wollten in Ausbildung investieren und die Zahl der Lehrplätze sinkt kontinuierlich.

Deine Gewerkschaftsjugend fordert: Mehr Lehrstellen, Aufwertung der Lehre, Lehre mit Matura! Große Betriebe müssten über Bedarf ausbilden, die Regierung sollte hierfür Anreize schaffen. Kleine und mittlere Unternehmen benötigen Unterstützungsgelder, um zusätzliche Lehrstellen schaffen zu können. Ebenso muss der öffentliche Dienst einspringen und verstärkt Lehrlinge aufnehmen.

Um die Lehre attraktiver zu machen, müssen Ausbildungswege wie die Lehre mit Matura oder das duale Studium breit gefördert werden. In einigen Kollektivverträgen konnte die GPA die Lehre mit Matura bereits verankern. Denn junge Menschen wollen mehr Perspektiven für ihre berufliche Zukunft!

Und auch bei der Lehre gilt: Jene Branchen, die schon im ersten Lehrjahr so viel zahlen wie andere erst im dritten, finden natürlich leichter interessierte Jugendliche.

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