Kollektivvertrags-Herbst: Mit Sicherheit mehr Gehalt!

Foto: Edgar Ketzer

Die Gewerkschaft GPA verhandelt im Herbst für fast eine Million Beschäftigte
den Kollektivvertrag, in dem die jährlichen Lohn- und Gehaltserhöhungen festgelegt
werden. Die Verhandlungen stehen unter dem Eindruck der aktuell extrem hohen
Teuerungsrate. Gerade jetzt ist für die Beschäftigten die Sicherung der Kaufkraft
enorm wichtig.

Viele Menschen können sich aktuell Mieten, Strom und Heizung nicht mehr leisten. Die Politik muss daher alles, was in ihrer Macht steht, tun, um den Lebensstandard der Menschen und deren Beschäftigung zu sichern. Auch die Kollektivvertragsverhandlungen sind unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen ein zentrales, wenn auch nicht das einzige, Instrument, um die Kaufkraft zu erhalten. „Gerade in Zeiten großer Unsicherheit brauchen die Menschen Berechenbarkeit: Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ihre
Löhne und Gehälter nach oben angepasst werden. Die hohe kollektivvertragliche Abdeckung in Österreich schafft dafür eine gute Grundlage“, betont der Bundesgeschäftsführer und Chefverhandler der GPA, Karl Dürtscher.

Wie kommen Löhne und Gehälter in Österreich zustande?
Grundlage der Verhandlungen ist traditionell die durchschnittliche Inflationsrate der letzten zwölf Monate (rollierende Inflation). Dieser Wert wird in der Regel von den Verhandlungspartnern am Beginn der Verhandlungen außer Streit gestellt. Dazu kommen dann noch Parameter wie die Produktivitäts- und Gewinnentwicklung. Wichtiges Element ist auch die so genannte Benya-Formel, die den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs berücksichtigt. Das österreichische Kollektivvertragssystem basiert stark auf gesamtwirtschaftlichen Parametern. Eine österreichische Besonderheit ist auch die hohe kollektivvertragliche Abdeckung von über 98 Prozent der Beschäftigten.

Einmalzahlungen reichen nicht!

Einmalzahlungen, die von Unternehmen an Beschäftigte bezahlt werden und von der Regierung bis zu einer Höhe von 3.000 Euro steuerfrei gestellt sind, sind sicher eine Möglichkeit, aktuell über die schwierige Situation hinweg zu kommen. Sie können aber eine nachhaltige Lohn- und Gehaltsentwicklung nicht ersetzen. Deshalb fordern die Gewerkschaften für alle Branchen, die in diesem Herbst in Verhandlungen eintreten, eine nachhaltige Erhöhung über der Inflationsrate, die sich aus dem Durchschnitt der letzten 12 Monate errechnet.

Traditioneller Auftakt der Metaller

Der Auftakt der Herbstlohnrunde fand am 19. September für die 190.000 Beschäftigten der Metallindustrie mit der Forderungsübergabe statt. Die Gewerkschaften fordern 10,6 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung. Diese Kollektivvertragsrunde hat eine Art Leitfunktion und wird von der Gewerkschaft GPA gemeinsam mit der Produktionsgewerkschaft PRO-GE geführt.

„Gerade in Zeiten großer Unsicherheit brauchen die Menschen Berechenbarkeit: Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Löhne und Gehälter nach oben angepasst werden.“

Karl Dürtscher

Die Verhandlungsbasis ist die durchschnittliche Inflationsrate der letzten 12 Monate „Da die Ertragslage der Metallindustrie im vergangenen Jahr eine sehr gute war, ist die Forderung nach einem Anteil an den wirtschaftlichen Erfolgen der Branche gerechtfertigt. Wir lassen uns sicher nicht mit einer bloßen Inflationsabgeltung abspeisen. Auch eine immer wieder kolportierte Einmalzahlung statt einer nachhaltigen Gehaltserhöhung ist keine Option. Wie es aussieht, bleibt die Teuerung länger auf einem sehr hohen Niveau. Die Beschäftigten brauchen Sicherheit und Berechenbarkeit für das kommende Jahr“, stellt der Verhandlungsführer der GPA, Karl Dürtscher klar.

Entwicklung der Teuerung seit September 2021

Sozialwirtschaft: Kaufkraftsicherung und Verbesserung der Rahmenbedingungen

Ebenfalls am 19. September 2022 starteten die Verhandlungen für die 130.000 Beschäftigten des privaten Gesundheits- und Sozialbereiches (Sozialwirtschaft), die gemeinsam mit der Gewerkschaft vida geführt werden. Die Pandemie hat die Arbeitsbedingungen und die gesellschaftliche Relevanz der Branche stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Der Bereich umfasst nicht nur die Pflege und Betreuung, sondern auch Tagesmütter und -väter, die schulische Tagesbetreuung, mobile Erziehungshilfen, die Suchtberatung und viele mehr.

Auch für die Sozialwirtschaft steht eine Kaufkraftsicherung durch eine ordentliche Gehaltserhöhung, aber auch eine weitere Attraktivierung der Rahmenbedingungen der Branche im Mittelpunkt der Verhandlungen. Diesbezüglich konnten die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren schon einiges erreichen. So konnte mit 1.1.2022 die Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 37 Stunden durchgesetzt werden. Anrechnung von Karenzzeiten, Pflegekarenz, Papamonat mit Kündigungsschutz, Anspruch auf Altersteilzeit, sind nur ein paar Beispiele kollektivvertraglicher Erfolge der letzten Jahre.

Handel: Größter Kollektivvertrag

Einen Monat nach dem Verhandlungsbeginn in der Sozialwirtschaft starten die Verhandlungen für die Angestellten des österreichischen Handels. Mit fast 500.000 Menschen ist das der größte Kollektivvertag des Landes. Rund ein Drittel der Unternehmen sind dem Handel zuzuordnen, jeder siebte Arbeitsplatz wird im österreichischen Handel geschaffen. Rund zwei Drittel der Beschäftigten im Handel sind weiblich, die Teilzeitquote liegt bei 36 Prozent. Faktum ist, dass jeder zusätzliche Euro des Gehalts wieder direkt in den Konsum fließt. Der Handel selbst profitiert also von steigenden Einkommen seiner Beschäftigten.

„Viele Beschäftigte in der Branche, die nicht zu den GroßverdienernInnen zählen, sind angesichts der steigenden Preise für Energie, Wohnen und Lebensmittel echt verzweifelt. Gerade jetzt brauchen sie die Sicherheit einer kontinuierlichen Gehaltsentwicklung.“

Helga Fichtinger

Auch für den Handel gilt: Trotz der schwierigen Lage aufgrund der aktuellen Energiekosten haben große
Teile der Branche im vergangenen Jahr gut verdient. „Viele Beschäftigte in der Branche, die nicht zu den GroßverdienernInnen zählen, sind angesichts der steigenden Preise für Energie, Wohnen und Lebensmittel echt verzweifelt. Gerade jetzt brauchen sie die Sicherheit einer kontinuierlichen Gehaltsentwicklung“, sagt die Verhandlerin der Gewerkschaft GPA, Helga Fichtinger.

Du möchtest wissen, was in deinem eigenen Kollektivvertrag eigentlich geregelt und wann er wieder verhandelt wird ist?
Dann schau auf die Kollektivvertragsseiten der Gewerkschaft GPA. Dort findest du alle Neuigkeiten rund um deinen KV.
Du weißt gar nicht, welcher Kollektivvertrag für dich gilt und ob du richtig eingestuft bist?
Dann wende dich am besten direkt an die Rechtsberatung der Gewerkschaft GPA.

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