Zeit für eine Diskussion über Millionärssteuern!

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Im Corona-Jahr 2020 wurden die reichsten ÖsterreicherInnen nochmal deutlich reicher. In einem solchen Umfeld ist eine Debatte über eine Millionärssteuer längst überfällig, fordert AK-Ökonom Dominik Bernhofer.

KOMPETENZ: Österreich ist eines der EU-Länder mit der größten Vermögensungleichheit, gleichzeitig befürwortet in Umfragen ein überwiegender Teil der in Österreich lebenden Menschen höhere Steuern für Reiche. Warum müssen wir überhaupt hier sitzen und dieses Thema diskutieren?

DOMINIK BERNHOFER: Das hat viel mit Macht zu tun. Die Vermögenden haben gute Kontakte zu Teilen der politischen und medialen Eliten. Es gibt zum Beispiel Untersuchungen des Momentum Instituts, dass österreichische Zeitungen eine klare Schlagseite gegen die Vermögenssteuer haben. Rund 70 Prozent aller Kommentare und Artikel in den letzten zehn Jahren positionieren sich teilweise oder klar negativ gegenüber einer Vermögenssteuer. Das kann man sich erklären, wenn man sich die Eigentümerstruktur ansieht: Da stehen viele Stiftungen und Familien dahinter, die von einer Vermögenssteuer potentiell betroffen wären.
Bis zu einem gewissen Grad hat es auch damit zu tun, dass sich die Leute selbst falsch einschätzen. Es gibt einige, die schätzen sich reicher als sie sind und meinen, sie seien von einer Vermögenssteuer betroffen. Der Großteil der Bevölkerung ist aber für Vermögenssteuern.

KOMPETENZ: Die GPA fordert eine Millionärssteuer von 0,5 Prozent ab einer Million Euro Nettovermögen. Wie viele Menschen würde das tatsächlich treffen?

DOMINIK BERNHOFER: Von den Vermögensdaten der Oesterreichischen Nationalbank wissen wir, dass das Nettovermögen nur in fünf Prozent der Haushalte über einer Million liegt. In ein für die Besteuerung nennenswertes Ausmaß fallen zwei bis drei Prozent der Haushalte, ca. 120.000 Haushalte in Österreich. Als Beispiel: Besitze ich 1,5 Mio. Euro Nettovermögen, wird davon der Freibetrag von einer Million abgezogen, der Rest wird mit 0,5 Prozent versteuert. Das macht 2.500 Euro Steuern pro Jahr. Das ist nichts Existenzbedrohendes und schränkt auch Wachstum und Beschäftigung nicht ein.

KOMPETENZ: Angenommen, ich nehme einen Kredit auf, kaufe mir damit am Land ein Grundstück, baue ein nettes Einfamilienhaus und zahle über 30, 40 Jahre den Kredit wieder zurück. Bin ich dann von der Vermögenssteuer betroffen?

DOMINIK BERNHOFER: Das müsste ein sehr großes Haus sein. Und selbst dann wären Sie erst in ferner Zukunft betroffen. Wir reden ja vom Nettovermögen, das heißt, der Kredit wird abgezogen. Ein durchschnittliches Eigenheim in Österreich ist 250.000 bis 300.000 Euro wert. Der Durchschnittshaushalt ist kilometerweit weg von der Betroffenheit durch eine Vermögenssteuer. Früher war das anders, bei der Vermögenssteuer, die in den 1990ern abgeschafft wurde, war der Freibetrag deutlich niedriger und damit waren auch mehr Menschen davon betroffen. Das ist bei den heutigen Modellen der Vermögenssteuer nicht mehr der Fall.

KOMPETENZ: Was würde eine solche Steuer dem Staat und der Gesellschaft bringen?

Die Vermögenssteuer ist keine ineffiziente Steuer, im Gegenteil. Letztlich ist die Einführung eine Frage des politischen Wollens, nicht des Könnens, sagt Ökonom Dominik Bernhofer
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

DOMINIK BERNHOFER: Das hat mehrere Dimensionen. Die Vermögenssteuer ist zum einen eine Frage der Gerechtigkeit, weil die besondere steuerliche Leistungsfähigkeit großer Vermögen auch adäquat erfasst werden muss, zum anderen würde es budgetär erhebliche Mehreinnahmen bringen, das GPA-Modell beispielsweise ca. 5 Milliarden Euro. Mit einem Teil der Einnahmen könnte man die Steuerstruktur verbessern, das heißt, beispielsweise die Lohnsteuer senken und Arbeit im Verhältnis zu Vermögen entlasten. Den Rest des Geldes könnte man in den Sozialstaat investieren. Demographiebedingt werden die Kosten im Pflege-, Gesundheits- und Pensionsbereich ansteigen, zumindest über die kommenden Jahrzehnte. Wollen wir das Leistungsniveau halten, müssen wir hier zusätzliches Geld reinstecken. Eine Vermögenssteuer wäre ein gerechter Finanzierungsbeitrag für solche Herausforderungen. Insgesamt wäre das für die Gesellschaft ein Gewinn – aber klar: für einige wenige, wär’s ein Verlust. Und insofern versuchen die das natürlich auch zu verhindern.

KOMPETENZ: Wie sieht‘s mit der Umsetzbarkeit aus?

DOMINIK BERNHOFER: Es kommt oft das Argument, dass die Bewertung und Erhebung viel mehr kosten würde, als sie letztlich bringt. Diese Kritik ist nicht ernst zu nehmen. Es gibt bewährte steuerliche Verfahren, wie man eine solche Bewertung vornehmen kann, und dadurch, dass die Anzahl der Bewertungen durch den hohen Grundfreibetrag erheblich reduziert wird, sind die finalen Kosten im Vergleich zur Steuerleistung wahrscheinlich ähnlich hoch wie bei der Einkommenssteuer. Jede Steuer verursacht Kosten in der Einhebung, die man von den Einnahmen abziehen muss. Aber die Vermögenssteuer ist keine ineffiziente Steuer, im Gegenteil. Letztlich ist die Einführung eine Frage des politischen Wollens, nicht des Könnens.

KOMPETENZ: Werden wir uns in naher Zukunft wieder treffen müssen, um über Vermögenssteuern in Österreich zu sprechen?

DOMINIK BERNHOFER: Ich könnt’s mir vorstellen. Der Sozialminister hat das Thema im aktuellen Krisenkontext ja zurecht angesprochen. Wir haben in den vergangenen Jahren enorme Wirtschaftshilfen ausgeschüttet, allein über die Cofag sind fast 30 Milliarden an die Unternehmen gegangen. Da ist die Kurzarbeit noch gar nicht eingerechnet. Die Staatsschuldenquote ist auf weit über 80 Prozent angestiegen. Wir haben enorme finanzpolitische und budgetäre Herausforderungen. Das ist ein guter Boden für die Vermögenssteuer. Wenn man sich die Frage stellt, wer soll für die Krise zahlen, dann muss man auf die schauen, die durch die Unterstützung der Gesellschaft relativ gut durch die Krise gekommen sind.

Grafik: GPA-Öffentlichkeitsarbeit

Laut Trend-Reichenliste ist das Vermögen der zehn reichsten Familien in Österreich von 2020 auf 2021 um 28,5 Prozent angestiegen. Dasselbe gilt für die Unternehmensgewinne, während viele ArbeitnehmerInnen Einbußen, z.B. wegen Kurzarbeit, zu verzeichnen hatten. Aus dieser Perspektive betrachtet ist es legitim zu sagen, es braucht einen Beitrag derjenigen, die hier unterstützt worden sind. Das sind die Betriebe und die großen Vermögensmassen des Landes. Die Zeit wäre reif dafür.

Zur Person:

Dominik Bernhofer, 37, ist Ökonom und Leiter der Abteilung Steuerrecht in der AK Wien

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