Wir verhandeln für das Kollektiv

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Die junge Betriebsrätin Ronja Prosch bringt ihre Karriere bei einer veterinär-pharmazeutischen Firma in Krems mit der betrieblichen Vertretung ihrer KollegInnen spielend unter einen Hut. Sie hat keine Scheu davor, Probleme offen anzusprechen und ist stolz auf das in sie gesetzte Vertrauen. Als wichtigstes Werkzeug des Betriebsrats-Teams schätzt sie das persönliche Gespräch, durch das viele Probleme erst an die Oberfläche kommen und greifbar werden.

Ronja Prosch ist 20 Jahre alt, steht mit beiden Beinen im Berufsleben und hat jede Menge Elan, um sich als ArbeitnehmerInnen-Vertreterin zu engagieren – sie ist stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats der Pharmafirma MSD Animal Health Danube Biotech GmbH, die Medikamente und Impfstoffe für Tiere herstellt. Mit ihrer positiven Lebenseinstellung packt sie Probleme rasch an, ohne sich abschrecken zu lassen.

Prosch wurde in Kufstein in Tirol geboren und absolvierte nach der Schule eine Ausbildung zur Chemischen Labortechnikerin. Bereits während der Lehre fing sie an, als Jugendvertrauensrätin für andere Auszubildende in der Chemischen Industrie da zu sein, zusätzlich engagierte sie sich als Landesschulsprecherin für die Berufsschulen in Tirol. Seit einem Jahr arbeitet Prosch in der Produktion der Kremser Biotech Firma, im Juli hat sie gemeinsam mit anderen engagierten KollegInnen die Initiative ergriffen und sich dafür eingesetzt, am Standort einen Betriebsrat zu etablieren.

Vielen KollegInnen war nicht bewusst, wie hilfreich ein Betriebsrat sein kann

Die Vorarbeiten zur Wahl waren eher zäh: „Viele KollegInnen haben das Konzept der betrieblichen Vertretung noch gar nicht so gekannt, sie waren skeptisch und haben geglaubt, keine Belegschaftsvertretung zu brauchen, weil ´eh alles halbwegs gut läuft im Betrieb´.“ In zahlreichen Gesprächen und persönlichen Kontakten konnten Prosch und ihre BetriebsratskollegInnen viele der 205 Angestellten davon überzeugen, dass betriebliche Abläufe und Regelungen für die Beschäftigten vorteilhafter umgesetzt werden können, wenn ein Betriebsrat bei den Verhandlungen mit im Boot ist: „Viele Stolpersteine sind für die Menschen zunächst nicht offensichtlich, dann sind auch die damit zusammenhängenden Probleme nicht greifbar. Sobald man mit den KollegInnen über ihre Arbeitsabläufe und andere Parameter des Firmenalltages spricht und Gegebenheiten hinterfragt, tauchen Probleme auf, die wir als Betriebsräte entscheidend verbessern können. Das war vielen KollegInnen einfach nicht bewusst.“

„Viele KollegInnen haben geglaubt, keine Belegschaftsvertretung zu brauchen, weil ´eh alles halbwegs gut läuft im Betrieb´.“

Ronja Prosch

Prosch half bei der Organisation der Betriebsratswahlen tatkräftig mit, Unterstützung kam auch von der Gewerkschaft GPA: „Ich habe mich intern umgehört, wer Interesse an der Mitarbeit hätte und bei vertrauten KollegInnen schlau gemacht, wer bei uns mitmachen möchte.“ Die Wahl ist dann reibungslos abgelaufen, obwohl Prosch bewusst war, dass die Initiative bei der Geschäftsführung nicht unbedingt willkommen war: „Aus Sicht der Leitung könnte das Aufziehen einer Belegschaftsvertretung kleine Steine ins Getriebe bringen. Ich sehe es positiv, dass Veränderungen nicht von oben durchgezogen werden können, sondern mit der Belegschaft diskutiert und verhandelt werden müssen. Wir ArbeitnehmerInnen sind stärker, wenn nicht jede Beschäftigte für sich alleine steht, sondern sich der Betriebsrat für das Kollektiv einsetzt.“

Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Prosch ist nun stellvertretende Vorsitzende, macht ihren normalen Job weiter und würde sich gerne noch weiterentwickeln: Ich möchte sehr gerne die Ausbildung zur Werksmeisterin machen.“ Von Beginn an suchte sie das Gespräch zur Geschäftsführung und hat sich im Team bei der Überarbeitung von Betriebsvereinbarungen, der Gestaltung von Arbeitsverträgen sowie für Mitsprachemöglichkeiten beim Speisenangebot in der Kantine aktiv eingebracht: „Unser Betriebsrats-Team hat in diesen Bereichen neue Fundamente gesetzt, auf dieser Basis können wir gut weiterarbeiten.“

Betriebsrat gestaltet Umstellung der Gleitzeit mit

Am drängendsten ist für die junge Betriebsrätin aktuell die Mitgestaltung der anstehenden, betriebsinternen Umstellung von normaler Gleitzeit auf einen Schichtbetrieb: „Für die meisten KollegInnen ist noch nicht klar, was sich durch die geplante Umstellung verändern wird. Hier wollen wir im Interesse der Beschäftigten mitbestimmen, wann eine Schicht beginnt und wann sie endet.“

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen
besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden.
Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland.
Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Über die finale Ausgestaltung des neuen Schichtbetriebes wird noch verhandelt, das Modell soll zunächst in einer Abteilung der Produktion umgesetzt werden: „Der Betriebsrat will eine moderne Regelung erreichen.“ Auch eine neue Betriebsvereinbarung zum Homeoffice wird gerade gestaltet, die Vorteile liegen für Prosch auf der Hand: „Wir verhandeln die Regelungen für den gesamten Betrieb. So müssen keine Einzelvereinbarungen abgeschlossen werden bei denen die Beschäftigten klar in der schwächeren Position wären. Wir verhandeln für das Kollektiv.“

Betriebsrätin ist eine wichtige Vertrauensperson

In ihrem Arbeitsumfeld musste sich Prosch von Beginn an behaupten, an Durchsetzungsfähigkeit mangelt es der jungen Frau nicht: „Es ist nicht immer einfach, aber ich versuche immer höflich und selbstbewusst meine Meinung zu sagen.“

Innerhalb des Betriebes haben sich Prosch und ihre KollegInnen des insgesamt sechsköpfigen Betriebsrates rasch als wichtige Stütze für die KollegInnen etabliert, viele wünschen sich, dass die Belegschaftsvertretung bei den routinemäßigen MitarbeiterInnengesprächen mit dabei ist: „Einzelgespräche mit den Chefs sind für viele Beschäftigte unangenehm, einige möchten daher, dass BetriebsrätInnen in der Nähe sind, oft werden wir zu den Unterredungen eingeladen. Hier spüren wir großes Vertrauen.“

„Es ist nicht immer einfach, aber ich versuche immer höflich und selbstbewusst meine Meinung zu sagen.“

Ronja Prosch

Alle betriebsrätlichen Tätigkeiten bewältigt Prosch neben ihrem Arbeitsalltag: „Es ist zusätzliche Arbeit, aber ich mache das gerne. Ich möchte hören, wie es den KollegInnen geht, vor welchen Problemen sie stehen und welche Szenarien für sie als Lösungen am besten wären.“ Viele erfahrene KollegInnen schätzen an Prosch ihren alternativen Blickwinkel: „Weil ich so jung bin, sehe ich manche Dinge anders als Ältere. Mir fallen oft praktikable Lösungsvorschläge ein, die für beide Seiten gut passen.“

Der Angestelltenbetriebsrat ist für Prosch „eine gute Mischung aus älteren und jungen KollegInnen, auch zum Arbeiterbetriebsrat gibt es eine solide Gesprächsbasis: Wir sind sehr gut miteinander vernetzt, jeder bringt die Rückmeldungen jener KollegInnen ein, zu denen er oder sie den besten Draht hat. Ich kann hier selbst viel dazu lernen.“ Dabei werden ihr auch die anstehenden fachlichen Schulungen der Gewerkschaft helfen: „Im März 2023 darf ich einen Betriebsratskurs besuchen, darauf freue ich mich.“

Zur Person:
Ronja Prosch wurde in Tirol geboren, ist der Liebe wegen nach Niederösterreich übersiedelt und lebt derzeit in Krems. In ihrer Freizeit liest sie extrem gerne oder hält sich beim Klettern am Fels oder mit Bouldern fit.

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