Arbeitszeitverkürzung: Weniger ist mehr!

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Europaweit wünschen sich Beschäftigte kürzere Arbeitszeiten. Pilotprojekte zeigen: Wer weniger arbeitet, leistet unterm Strich mehr und ist gesünder und motivierter.

Wer arbeitet wirklich den ganzen Arbeitstag lang effizient? Bei vielen Jobs könnte man in sechs Stunden die Arbeit von acht Stunden unterbringen. Warum also nicht die Arbeit produktiver gestalten und die Arbeitszeit verkürzen?

Internationale Studien zeigen: kürzere Arbeitszeiten, insbesondere die 4-Tage-Woche, stehen bei den Beschäftigten hoch im Kurs. Bei Feldversuchen in Großbritannien, Irland, Island, Spanien und vielen anderen Ländern waren nicht nur die Arbeitnehmer:innen begeistert, auch die Arbeitgeber:innen zeigten sich am Ende großteils überzeugt. Die Work-Life-Balance und die Gesundheit der Teilnehmer:innen hatten sich klar verbessert, während ihre Produktivität gleich geblieben oder sogar angestiegen war.

Die 40-Stunden-Woche wird von Forscher:innen schon längst in Frage gestellt. Deshalb experimentieren Firmen mit der 4-Tage-Woche oder dem 5- oder 6-Stunden-Arbeitstag. Wichtig ist: Es geht dabei um die Vorteile von Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich! Wir haben die wichtigsten Vorteile einer kürzeren Arbeitszeit nochmals für dich zusammengefasst:

Produktivität: Firmen, die Modelle mit kürzeren Arbeitszeiten umsetzen, streichen unproduktive Zeitfresser wie Meetings, ständige Unterbrechungen durch Emails und Anrufe, unklare Zuständigkeiten, etc. Effizienteres Arbeiten ist gefragt, damit die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erledigt werden kann.

Studien zeigen, dass Arbeitszeitverkürzung unterm Strich zu einem Anstieg der Produktivität führt, da die Beschäftigten durch die längere Freizeit erholter und weniger gestresst zur Arbeit kommen. Im internationalen Vergleich sind Länder mit hoher durchschnittlicher Arbeitszeit übrigens weniger produktiv als Länder mit kürzerer.

Fachkräftemangel: Die Abwanderung aus einigen Branchen (z.B. Tourismus und Gastronomie) hat gezeigt, dass die Menschen es satthaben, überlange Stunden zu arbeiten und wenig Freizeit zu haben. Etliche Branchen in Österreich klagen über Fachkräftemangel. Was wäre also naheliegender, als bessere Arbeitsbedingungen anzubieten? Kürzere Wochenarbeitszeit, mehr Freizeit bei gleichem Lohn. Betriebe, die das anbieten, finden wie durch Zauberhand wieder zahlreiche Bewerber:innen für offene Stellen!

Gesundheit: 80 Prozent aller Menschen, die Vollzeit arbeiten, klagen über Stress. Burnout, Depressionen und andere stressbedingte psychische Erkrankungen sind seit Jahren im Steigen begriffen. Lange Krankenstände und Frühpensionierungen verursachen hohe Kosten. Langes Arbeiten ist nicht unbedingt effizienter, im Gegenteil. Wer übermüdet ist, macht mehr Fehler, die Sicherheit ist gefährdet. So passieren Arbeitsunfälle. Sobald wir die Arbeitszeit reduzieren, sinkt auch der Stress, weniger Krankenstände sind die positive Folge. Mitarbeiter:innen, die erholt und ausgeruht zur Arbeit kommen, arbeiten motivierter.
Kreativität und Motivation: Viele High-Tech-Unternehmen in den USA haben längst erkannt: Müdigkeit und Kreativität gehen nicht zusammen. Daher sind Kreativpausen möglich und erwünscht, man bietet den Beschäftigten Erholungsräume wie Cafeterias, Fitnesscenter, Grünflächen u.a.m. Denn bekanntlich kommen die „guten Ideen“ nicht in der zehnten Arbeitsstunde, sondern z.B. beim Joggen im Wald. Entsprechend fördert mehr Freizeit die Kreativität.

Das Ziel ist eine ergebnisorientierte Arbeitskultur, anstatt der bisherigen zeitbasierten Kultur. Nicht wie viele Stunden wir investiert haben zählt, sondern was der Output ist!
Zufriedenheit: Umfragen zeigen: Eine satte Mehrheit der Beschäftigten wünscht sich eine Reduzierung der Arbeitszeit. Wir alle brauchen mehr Erholung. Eltern möchten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Besonders für Frauen, die die Familienarbeit schultern, ist eine kürzere Arbeitszeit wie die 4-Tage-Woche der Weg aus der Teilzeitfalle: 32 Stunden bei voller Bezahlung, statt 20 Stunden bei halbem Gehalt.

Deutsches Projekt zur 4-Tage-Woche 2024

In Deutschland startet Anfang 2024 ein umfassendes Pilotprojekt zur 4-Tage-Woche bei gleichem Gehalt. 50 Unternehmen verschiedener Branchen werden dieses Arbeitszeitmodell sechs Monate lang testen.
Die Uni Münster wird das Projekt wissenschaftlich auswerten, die Initiative ‚4 Day Week Global‘ wird es begleiten. Im Beirat sitzen Vertreter:innen der Gewerkschaft IG Metall, des Arbeitgeberverbands BDA und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Sophie Jänicke, Vorstandsmitglied der IG Metall, berichtet, dass sich in vielen Betrieben die 4-Tage-Woche zur Sicherung von Arbeitsplätzen bewährt habe. „Sie erhöht die Work-Life-Balance von Beschäftigten und kann damit auch die Attraktivität von Unternehmen steigern.“

AK OÖ: Enormes Potential bei Arbeitszeitverkürzung

Immer mehr Menschen in Österreich wollen kürzer arbeiten.

Eine Auswertung des Arbeitsklima-Index der AK Oberösterreich zeigt: kürzere Vollzeit findet hohe Zustimmung. Das Klischee, dass vor allem jüngere Menschen nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen, ist nur die halbe Wahrheit. Der Wunsch nach weniger Wochenarbeitszeit ist in allen Altersgruppen ähnlich stark. Ein Drittel der Vollzeitarbeitskräfte würden lieber weniger Stunden leisten, zugleich möchte ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten die wöchentliche Arbeitszeit erhöhen. „Die Diskussion um eine kürzere Vollzeit und eine moderne Arbeitszeitgestaltung, die sich an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer:innen orientiert, ist daher richtig und wichtig“, sagt AK-OÖ-Präsident Andreas Stangl. „Hier schlummert enormes Potenzial,
die Arbeit besser und fairer umzuverteilen.“

Mehr Ergebnisse aus dem Arbeitsklima-Index findest du hier.

Island: Kürzer arbeiten im öffentlichen Dienst

Eine großangelegte Studie zur Arbeitszeitverkürzung fand bereits zwischen 2015 und 2019 in Island statt. Auf Druck der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft startete der Stadtrat von Reykjavik ein Experiment zur 4-Tage-Woche, an dem mehr als 2.500 Beschäftigte im öffentlichen Dienst teilnahmen. Das Resultat konnte sich sehen lassen: Die Gesundheit und die Work-Life-Balance der teilnehmenden Mitarbeiter:innen hatten sich deutlich verbessert, zugleich gab es keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität oder die Qualität der Dienstleistungen. In Summe war das Projekt eine echte Erfolgsgeschichte: 86 Prozent der isländischen Beschäftigten arbeiten seither kürzer oder haben Verträge, die ihnen eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit ermöglichen.

Mehr zur Arbeitszeitverkürzung in Island.

4-Tage-Woche in Großbritannien: Beschäftigte begeistert

In Großbritannien liegen die Ergebnisse des weltweit größten Feldversuchs mit der 4-Tage-Woche bereits vor. Bei einem Pilotprojekt von Juni bis Dezember 2022 arbeiteten rund 3.000 Beschäftigte nur 32 Stunden an vier Tagen und das bei vollem Lohn. Das Projekt basierte auf dem sog. 100:80:100-Modell: 100 Prozent Gehalt für 80 Prozent der Zeit, und die Verpflichtung, 100 Prozent produktiv zu bleiben. Die Beschäftigten waren begeistert und fast alle beteiligten Firmen wollten an dem Modell festhalten. 56 von 61 Arbeitgebern teilten mit, die 4-Tage-Woche beibehalten zu wollen. Nur fünf der 61 Unternehmen wollten das Experiment wieder beenden.

Mehr über die 4-Tage-Woche in Großbritannien gibt es hier.

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