4-Tage-Woche in GB: Beschäftigte sind begeistert

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Rund 3.000 Angestellte in 61 britischen Firmen experimentierten ein halbes Jahr lang mit der Vier-Tage-Woche bei gleichzeitiger Arbeitszeitverkürzung. Die Umstellung verbesserte die Work-Life-Balance und die Gesundheit der Belegschaft, die Produktivität blieb aufrecht.

Teilzeit oder Vollzeit? Während in Österreich die Teilzeit ins Visier des Arbeitsministers gerät, liegen in Großbritannien die Ergebnisse des weltweit größten Feldversuchs mit der Vier-Tage-Woche vor und lassen das Modell der 40-Stunden-Vollzeitarbeit alt aussehen.

Bei einem Pilotprojekt von Juni bis Dezember 2022 arbeiteten knapp 3.000 Beschäftigte nur 32 Stunden an vier Tagen, und das bei vollem Lohn. Die Beschäftigten sind begeistert, und fast alle beteiligten Firmen wollen an dem Modell festhalten.

56 von 61 Arbeitgebern teilten nach Ende der Testphase mit, die Vier-Tage-Woche beibehalten zu wollen. Nur fünf der 61 Unternehmen wollen das Experiment wieder beenden. Und 18 hatten bereits bestätigt, dass das Konzept dauerhaft eingeführt wird.

80 Prozent Arbeit, 100 Prozent Gehalt

Das Pilotprojekt basierte auf dem sog. 100:80:100-Modell: Die Beschäftigten erhielten 100 Prozent Gehalt bzw. Lohn für 80 Prozent der Zeit, und mussten sich dabei verpflichten, 100 Prozent produktiv zu bleiben. Die Versuchsanordnung wurde von 4 Day Week Global – einer in Neuseeland gegründeten NGO – in Partnerschaft mit dem Think Tank Autonomy organisiert, in Zusammenarbeit mit der 4 Day Week Campaign sowie ForscherInnen der Universitäten Cambridge, Oxford und Boston College.

Der Projektbericht aus GB als pdf zum Download

Schon seit Jahren fordern Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen-Organisationen eine Verkürzung der Arbeitszeit durch die Vier-Tage-Woche. Auch die Gewerkschaft GPA macht sich seit Jahren dafür stark. Während der Pandemie hat sich die Arbeit schlagartig verändert: Kurzarbeit, Home Office und digitalisierte Arbeitsprozesse haben gezeigt, was alles möglich ist, wenn man die Arbeit effizienter organisiert.

Verbesserte Arbeitsorganisation

Wie kann bei einer Verringerung der Arbeitszeit die Produktivität gehalten werden, auf welche „Zeitfresser“ sollte man verzichten? Wie kann die Arbeitsorganisation verbessert werden? Solche Fragen wurde vor Beginn der Studie in einer zweimonatigen Vorbereitungszeit für die teilnehmenden Betriebe erörtert, mit Workshops, Coaching, Peer-Support, etc. Dabei wurde auf die Erfahrung von Unternehmen zurückgegriffen, die bereits eine kürzere Arbeitswoche eingeführt hatten, sowie auf Forschungs- und Beratungsorganisationen.

Die britischen Unternehmen, die an dem Feldversuch teilnahmen, kommen aus verschiedenen Branchen und sind auch unterschiedlich groß. Vom lokalen Fish-and-Chips-Shop bis hin zum großen Finanzdienstleister waren diverse Betriebe vertreten, u.a. aus dem Gesundheitswesen, aus der Bildung, aus der Gastronomie, aus der IT-Branche und dem Marketing.

Ziel war es zu testen, wie sich die Vier-Tage-Woche bei den Beschäftigten auf Bereiche wie Stress und Burnout, Arbeits- und Lebenszufriedenheit, Gesundheit, Schlaf, Energieverbrauch und Reisen auswirkt. Zugleich sollte aber die Produktivität im Betrieb nicht sinken. Idealerweise bringt eine Vier-Tage-Woche nämlich einen dreifachen Nutzen: Sie wirkt sich positiv auf die Lebensqualität der MitarbeiterInnen aus, auf die Produktivität im Unternehmen und außerdem auch auf das Klima (z.B. durch reduzierten Berufsverkehr).

Gesundheit und Familie

Die beteiligten ForscherInnen sehen das Projekt als einen vollen Erfolg: Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten verbesserten sich im Laufe der sechs Monate signifikant! 39 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an, dass ihr Stresslevel sank. Die Menschen konnten besser schlafen, hatten weniger Angstzustände und bemerkten eine Verbesserung ihrer Work-Life-Balance. Die Wahrscheinlichkeit eines Burn-out war nach Ende der Studie sogar um 70 Prozent gesunken. Mehr als die Hälfte gaben an, ihre Arbeit besser mit familiären und sozialen Verpflichtungen bzw. Care-Arbeit vereinbaren zu können.

Die verkürzte Arbeitszeit kam ganz besonders auch Familien mit Kindern zugute. Über ein Fünftel von ihnen konnten durch die geringeren Arbeitsstunden deutlich bei den Kosten für die Kinderbetreuung sparen. Sie konnten auch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, besonders stark war das bei Vätern der Fall. Eltern von größeren Kindern gaben außerdem an, dass sie vermehrt Zeit für sich selbst hatten. Auf die Aufteilung der Hausarbeit zwischen Frauen und Männern wirkte sich die verringerte Arbeitszeit allerdings kaum aus.

Produktivität hielt stand

Ganz wichtig: Auch die Produktivitätssteigerung gelang, denn hier hatte es vor Beginn des Versuchs die größte Skepsis seitens der Arbeitgeber gegeben. Die Umsätze der Unternehmen blieben laut Studie im Großen und Ganzen gleich, es gab sogar eine durchschnittliche Steigerung von 1,4 Prozent während des Versuchszeitraums.

Was die Arbeitgeber auch überzeugen konnte: Die Zahl der Kündigungen sank in den sechs Monaten des Experiments um mehr als die Hälfte, jene der Neuanstellungen um mehr als ein Drittel. Ein Drittel der Angestellten machte weniger Überstunden. Die MitarbeiterInnen brauchten zwei Drittel weniger Krankheitstage. Die Vier-Tage-Woche macht die Betriebe für neue MitarbeiterInnen attraktiver und kann gewichtiges Argument für oder gegen einen Jobwechsel sein, insbesondere für jüngere Beschäftigte, denen die Work-Life-Balance ein großes Anliegen ist.

Maßgeschneiderte Modelle

Die Unternehmen konnten während des Versuchs selbst entscheiden, wie die 32 Stunden auf die Arbeitswoche aufgeteilt werden sollten, denn die Vier-Tage-Woche muss kein „One-size-fits-all“-Modell sein. Jedes Unternehmen konnte ein maßgeschneidertes Modell entwerfen, das seiner Branche, den organisatorischen Herausforderungen und Arbeitskultur entspricht.

Viele Firmen entschlossen sich, „klassisch“ einen freien Tag für alle zu geben, doch es gab auch andere Varianten. Betriebe etwa, die von Montag bis Freitag besetzt sein müssen, konnten ihre Angestellten in zwei Gruppen teilen: Die eine Gruppe hatte montags frei, die andere freitags, und jede Woche wurde gewechselt.

Die Unternehmen konnten die Umsetzung der 32-Stunden-Woche also an ihre Bedingungen anpassen, Konzepte entwickeln und Methoden wechseln oder ausbauen. So war es auch für die beteiligten ForscherInnen interessant zu beobachten, wie sich unterschiedliche Modelle auswirkten. Die Ergebnisse können in künftige Versuche und Arbeitszeitmodelle einfließen.

Nicht in allen Firmen gelang es allerdings, die Arbeitszeit tatsächlich auf 32 Stunden zu reduzieren. Bei der Auswertung der Resultate ergab sich im Durchschnitt eine Arbeitswoche von 34 Stunden. Die AutorInnen der Studie nehmen an, dass die MitarbeiterInnen in einigen Betrieben vor Beginn des Modellversuchs nicht 40 Stunden pro Woche, sondern mehr gearbeitet hatten – entsprechend fiel auch die Arbeitszeitverkürzung anders aus.

Modell für die Zukunft

Besonders jüngere ArbeitnehmerInnen legen großen Wert auf kürzere Arbeitszeiten, die ihnen Freizeitaktivitäten und Familienleben ermöglichen. Umgekehrt können Betriebe genau hier dem zunehmenden Arbeitskräftemangel entgegenwirken: Jobs, die in einer Firma mit einer Vier-Tage-Woche angeboten werden, finden deutlich mehr BewerberInnen und die Beschäftigten bleiben auch länger.

Daher wird inzwischen in Österreich, in der EU sowie auch weltweit mit verkürzten Arbeitszeitmodellen experimentiert, durchwegs mit überzeugenden Ergebnissen. Und auch alle Umfragen ergeben: Eine satte Mehrheit der Beschäftigten wünscht sich eine Verringerung der Arbeitszeit. Wir alle benötigen längere Erholungsphasen, Eltern wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Da die Einkommensverluste zu groß sind, ist Teilzeit nur die zweitbeste Lösung. Die Zukunft wird in einer Reduzierung der Arbeitszeit für alle liegen. Höchste Zeit also, dass auch in Österreich die Vier-Tage-Woche großflächig umgesetzt wird!

Zum Weiterlesen:

Betriebe, die die Vier-Tage-Woche umgesetzt haben:

Reportagen über andere Länder:

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