Die „Aufmüpfige“ aus der Steiermark

Beatrix Eiletz ist Betriebsratsvorsitzende bei der Volkshilfe Steiermark und Chefverhandlerin für den Sozialwirtschafts-Kollektivvertrag.
Foto: Johannes Gress

Als Betriebsratsvorsitzende der Volkshilfe Steiermark tourt Beatrix Eiletz beinahe täglich quer durchs Bundesland, um die Interessen der Beschäftigten zu organisieren. Motto: „Wenn wir etwas wollen, müssen wir auch darum kämpfen“

Wenn Beatrix Eiletz von ihrem Schreibtisch aufblickt, sieht sie dort ein Poster von einem Frosch, der im Schnabel eines Storches steckt und zappelt. „Parole: Niemals aufgeben“, steht darüber. Eiletz ist Betriebsratsvorsitzende der Volkshilfe Steiermark, zuständig für knapp 3000 Beschäftigte. Aktuell sitzt sie als Verhandlungsführerin in den Kollektivvertrags-Verhandlungen der Sozialwirtschaft. Nicht nur das Poster mit dem Frosch gibt einen dezenten Hinweis darauf, dass „Aufgeben“ nun wirklich nicht ihr Ding ist.

„Ich war damals schon die Aufmüpfige“, erzählt Eiletz in ihrem Büro in Graz. Glückwunschkarten und Fotos von FreundInnen und Bekannten stehen hier dicht an dicht neben prall gefüllten Ordnern und dicken Gesetzbüchern. „Damals“, das war in den 1980ern, als die in Bad Radkersburg in der Südost-Steiermark geborene Eiletz nach ihrer Schulzeit in einer Gärtnerei zu arbeiten begann. Weder wusste sie damals, was eine Gewerkschaft noch eine ArbeitnehmerInnen-Vertretung ist – aber sie wusste, was sie wollte. Und teilte das ihrem Arbeitgeber auch regelmäßig mit, bis dieser sie ob ihrer „Aufmüpfigkeit“ kündigte. So kam sie 1991 zur Volkshilfe, als Quereinsteigerin, die Ausbildung zur Heimhelferin machte sie berufsbegleitend.

„Entweder es geht die Leitung – oder wir gehen“

Beatrix Eiletz

Wenn Eiletz von sich und ihrem Lebensweg erzählt, lehnt sie sich in ihrem schwarzen Bürosessel zurück, steckt die Brille ins Haar und spricht mit ruhiger, gelassener Stimme. Die Haltung wird aufrechter, die Stimme lauter, wenn sie von ihren ersten Reibereien mit der Führungsetage der Volkshilfe Radkersburg berichtet. Gelegentlich – immer dann, wenn ihr ein Punkt besonders wichtig ist – klopft sie mit der Faust auf den Tisch. Früh stellte sie damals unter Beweis, dass sie nicht nur in der Lage ist, ihr eigenes Interesse zu artikulieren; sie verstand es auch MitarbeiterInnen zu organisieren, um für gemeinsames Interesse einzutreten. Wenn auch ohne offizielles Amt schaffte sie es in ihren ersten Jahren bei der Volkshilfe in Radkersburg, dass sie und alle anderen 15 ihrer Kolleginnen einen an den damaligen Geschäftsführer adressierten Brandbrief unterzeichneten: „Entweder es geht die Leitung – oder wir gehen geschlossen!“. Dass die Drohung, die gesamte Belegschaft werde den Hut schmeißen und zur Lebenshilfe abwandern, ein Bluff war, sollte an deren Wirkung nichts ändern.

Von da an „Vertrauensperson“ der Angestellten wurde Eiletz 1996 schließlich offiziell Betriebsrätin, zwei Jahre später Betriebsratsvorsitzende, „als Jüngste und Unerfahrenste“. Seither ist sie freigestellt, quasi Vollzeit- und Vollblut-Betriebsrätin. Gelegentlich beneidet sie jene KollegInnen, die ihre Leute an einem Standort beisammen haben; die morgens in die Firma marschieren und zur Versammlung rufen können. Denn der Alltag von Eiletz ist ein anderer: Sie sitzt oft Stunden im Auto, tourt quer durch die Steiermark, um Kontakt zu MitarbeiterInnen und anderen BetriebsrätInnen zu halten, Informationen auszutauschen, Erfahrungen einzuholen. Dass sich die Einrichtungen der Volkshilfe über die ganze Steiermark verteilen, macht es der 49-Jährigen nicht gerade einfach.

„Ich habe gelernt, dass man auch in einem Pflegeheim streiken kann“

Beatrix Eiletz

Andererseits, so Eiletz, „bin ich froh, dass ich Betriebsrätin im Sozialbereich bin“. Anders als in der Industrie könne die ArbeitgeberInnen-Seite hier nur schwer mit etwaigen Konjunktureinbußen und mit Abwanderungen argumentieren. „In unserer Branche sind die Arbeitsplätze sicher, alte Leute und Kinder wird’s immer geben“, lacht die 49-Jährige. Dass das die Auseinandersetzung mit den ArbeitgeberInnen nicht zwangsläufig einfacher macht, zeigen die Verhandlungen um den Kollektivvertrag, die derzeit einen Großteil von Eiletz‘ Zeit beanspruchen. Beim Treffen in ihrem Grazer Büro Mitte Februar hat sie bereits sechs Verhandlungsrunden intus – „und im Grunde sind wir genau dort, wo wir beim ersten Mal schon waren“, so die Chefverhandlerin. So verhärtet wie dieses Mal waren die Fronten noch nie – und das, obwohl Eiletz und ihre KollegInnen mit nur einer einzigen Forderung in die Verhandlungen gingen: Die Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden, bei vollem Lohnausgleich.

Foto: Johannes Gress

Grundsätzlich sei das Gesprächsklima bei den Verhandlungen nach wie vor gut, aber „ab und zu wird die Diskussion etwas heißer. Im Grunde diskutieren wir ja seit sechs Verhandlungsrunden im Kreis“, beklagt Eiletz. Dass die Volkshilfe-Beschäftigten ihren Forderungen derzeit etwas mehr Nachdruck verleihen können als gewöhnlich, liegt auch an ihr. Eiletz machte einst Praktikum in Berlin – „und dort habe ich gelernt, dass man auch in einem Pflegeheim streiken kann“.

„Alle sind voll bei der Sache!“

Beatrix Eiletz

Für Viele, die Eiletz als Betriebsratsvorsitzende vertritt, war Streiken bis vor wenigen Jahren undenkbar. Wenig verwunderlich, denn der organisatorische Aufwand ist enorm: Einerseits gilt es sämtliche Volkshilfe-Einrichtungen aus allen steirischen Bezirken zu koordinieren. Andererseits muss trotz Streik das Wohl der KlientInnen garantiert werden. Dass die Beschäftigten im Sozialbereich ihre Arbeit niederlegen können, braucht daher ungleich mehr Vorlaufzeit als beispielsweise bei den Metallern. Bis Eiletz die Volkshilfe-Belegschaft überhaupt einmal zur Arbeitsniederlegung motivieren konnte, brauchte es „jahrelanges Reden. Reden, informieren, überzeugen, diskutieren“.

Doch Eiletz ist sich sicher: „Wenn wir etwas wollen, müssen wir auch gemeinsam darum kämpfen“. Und bei diesen Verhandlungen muss die 35 Stunden-Woche für die Beschäftigten im Sozialbereich rausspringen, komme, was wolle. Grund zur Zuversicht gibt es genug, denn selbst von Seite der KlientInnen und deren Angehörigen sei die Unterstützung groß. Aufgrund des Streiks kann die Betreuung zwar nicht im gewohnten Umfang stattfinden und beschränkt sich notgedrungen auf das Allernötigste. Aber statt Beschwerden bekommen Eiletz und ihre KollegInnen überwiegend Zuspruch zu Ohren: Man solle ja nicht kleinbeigeben!

Eiletz ist daher durchaus zuversichtlich, was den weiteren Verlauf der Verhandlungen angeht: „Alle sind voll bei der Sache und mit vollem Engagement dabei“. Natürlich, „es ist zeitaufwendig, hin und wieder habe ich ein Schlafdefizit, es ist kraftaufwendig – aber es macht trotzdem Spaß!“, lacht die Betriebsrätin. Dass Eiletz sich so einfach kleinkriegen lässt; dagegen spricht eben nicht nur das Poster mit dem Frosch in ihrem Büro.

Zur Person:

Beatrix Eiletz, 49, wurde 1970 in Bad Radkersburg in der Südost-Steiermark geboren. Nach einer Anstellung in einer Gärtnerei arbeitet sie seit 1991 bei der Volkshilfe Steiermark. 1996 wurde sie dort Betriebsrätin, 1998 Betriebsratsvorsitzende. Bei den letztjährigen KV-Verhandlungen war sie Teil des kleinen Verhandlungsteams, bei den diesjährigen Verhandlungen fungiert sich als Verhandlungsführerin.

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